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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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dachte an die Fertigbetongebäude in Ashburn und die Wellblechhütten in Amsterdam. Das Internet folgte keinem Masterplan, es hatte – in ästhetischer Hinsicht – keinen Chefarchitekten. Es gab keinen Isamgard Kingdom Brunel – jenen Ingenieur, der in viktorianischer Zeit die Paddington Station und den Kabelleger »Great Eastern« gebaut hatte –, der sich Gedanken darüber gemacht hätte, wie die Einzelteile sich zu einem Ganzen fügen, und der bei jeder Gelegenheit die Errungenschaften der Technik gefeiert hätte. Das Internet bestand aus Zwischenstationen, aus Orten wie diesem, die angestrengt versuchten, möglichst unsichtbar zu sein. Der Fokus lag nicht auf der Reise; die Reise tat, als gäbe es sie nicht. Aber das war natürlich Quatsch. Ich kletterte aufs Auto, um einen besseren Überblick zu haben; um dem endlosen Himmel einen klein wenig näher zu sein. Weit und breit keine Menschenseele. Niemand auf dem Highway und kein anderes Haus in Sicht. Es war zu windig, als dass ich das Summen der Maschinen hätte hören können.
    Nach Prineville waren es noch 120 Kilometer. Während The Dalles nur einen Steinwurf von Portland entfernt liegt, ist Prineville im Hinterland von Oregon versteckt, weit abseits des nächsten Interstate Highways, in einer derart abgelegenen Gegend, dass sie zu den letzten Flecken in den USA gehört, die besiedelt wurden – das geschah erst, als Siedler auf dem Weg nach Westen in den Hufen verirrter Kühe Gold fanden. Bis heute ist Prineville eine Cowboystadt. Jedes Jahr findet hier ein großes Rodeo statt, der »Crooked River Roundup«. Es war ein Ort, der schon immer darum kämpfen musste, nicht abgehängt zu werden. Die Einwohner hatten sogar eine eigene Eisenbahngesellschaft gegründet, als die Hauptstrecke an Prineville vorbei gebaut wurde – ein »Middle Mile«-Netzwerk des 19. Jahrhunderts, das ganz nach dem Geschmack von Nolan Young gewesen wäre. Die » City of Prineville Railroad « , das »Tor zum Herzen Oregons«, ist bis heute in Betrieb. Es sind die letzten Gleise in den gesamten USA , die einer Stadt gehören. Vor seiner schwersten Prüfung stand Prineville jedoch, als vor einigen Jahren der letzte größere Arbeitgeber, die Verwaltung der Reifenkette Les Schwab Tire Centers, ins 50 Kilometer entfernte Bend abwanderte, einen boomenden Skiort mit zwölf Starbucks und einem Whole-Foods-Biosupermarkt. Prineville legte sich mächtig ins Zeug, um Facebook in den Ort zu locken. Wenn Facebook sich im Industriefördergebiet am Stadtrand von Prineville ansiedelte, winkten Steuervergünstigungen im Wert von 2,8 Millionen Dollar jährlich. Doch während Google auf Geheimhaltung bestanden hatte, zog Facebook mit großem Trara in Prineville ein. Als ich die Hauptstraße mit ihren gut erhaltenen Fünfziger-Jahre-Fassaden entlangfuhr, sah ich im Schaufenster eines Geschäfts ein Schild mit der Aufschrift »Welcome Facebook«.
    Das Rechenzentrum liegt auf einem kleinen Hügel, von dem aus man eine gute Aussicht auf den Crooked River hat. Die breite Zufahrtsstraße säumen zu beiden Seiten weitere weiß-orangefarbene Hinweisschilder, die den Weg zur Eingangstür weisen wie Brotkrümel. Was mir als Erstes auffiel, waren die gewaltigen Ausmaße. Das Gebäude war lang und niedrig wie ein Auslieferungslager neben einer Autobahn. Es war überraschend schön. Optisch so beeindruckend wie kaum ein anderes Stück Internet, das ich mir angesehen hatte, lag es auf einem flachen Hügel wie ein griechischer Tempel. War die Anlage von Google ein ästhetisches Durcheinander gewesen mit Laderampen und Anbauten in alle Richtungen, so wirkte die von Facebook streng rational, eine von Menschen geformte Einheit in einem Meer aus Wüstenbeifuß. Sie lag ganz allein in der leeren Landschaft, ein unverputzter Betonkasten mit einem Penthouse aus Wellblech. Zum Zeitpunkt meines Besuchs war die Anlage noch im Bau, nur der erste große Serverraum war fertig. Drei weitere Bauabschnitte schlossen sich hinten an, wie bei einer Raupe, der neue Segmente wachsen – beim letzten war noch das Endoskelett aus gelben Dämmplatten zu sehen. Insgesamt würden die vier Bauabschnitte eine Fläche von knapp 28 000 Quadratmeter umfassen, was in etwa einem zehnstöckigen Büroturm entspricht. Demnächst würden die Bauarbeiten für eine weitere Anlage gleicher Größe beginnen; das Grundstück bot Platz für eine dritte. Am anderen Ende der USA , in Forest City im Bundesstaat North Carolina, errichtete Facebook derzeit eine

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