Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
von Netzwerktechnikern, von denen jeder auf der Suche nach den technisch und wirtschaftlich effizientesten Orten ist, um sich zu vernetzen. In Kalifornien lautet die Frage: Palo Alto oder San José? In Virginia: Ashburn oder Vienna? Es liegt in der Natur des Peerings, dass es eine Eigendynamik entwickelt: Netzwerke wollen an Orten vertreten sein, wo viele andere Netzwerke vertreten sind. Wenn Facebook sich für einen bestimmten Ort entscheidet, ist das daher nicht nur eine Reaktion auf die Wachstumsraten dieses Ortes, sondern auch ein Garant für zukünftiges Wachstum. Vielleicht liegt es aber auch an den hübschen Punktstrahlern von Equinix. Oder am Bier in Amsterdam. Oder an beidem.
Seinen Höhepunkt erreichte das Peering-Geplauder am letzten ganzen Tag des NANOG -Treffens in Austin in einer Veranstaltung, die im Programm etwas kryptisch als »Peering-Runde« angekündigt war. Sie war bewusst zu diesem späten Zeitpunkt angesetzt, zu dem die Netzwerktechniker so hibbelig wie Schulkinder am Freitagnachmittag waren. Im Tagungsraum waren die Stühle im Kreis aufgestellt, angeblich, damit die Teilnehmer leichter miteinander ins Gespräch kämen. Mir kam es eher so vor, als wollte man eine Atmosphäre wie beim Gladiatorenkampf schaffen.
Es folgte eine Art Speed-Dating: Die Internetknoten warben mit ihrer Größe und Leistungsfähigkeit, und die Peering-Koordinatoren umwarben sich gegenseitig. Ein erfolgreicher Auftritt vor diesem Publikum konnte zu einem Gespräch und schließlich zu einer neuen Verbindung führen. Sagen wir, Sie betreiben ein Rechenzentrum in Texas, und zu Ihren Kunden gehört eine wichtige dänische Website. Über eine Peering-Verbindung zu einem dänischen Internetanbieter könnten Sie eine Menge Traffic auf einmal loswerden – so viel, dass es sich lohnen könnte, sich in Ashburn mit diesem Internetanbieter zu vernetzen. Und genau das schwebte Nina Bargisen vor, einer Netzwerktechnikerin bei der dänischen Telefongesellschaft TDC . Ihr schlichter Appell lautete deshalb: »Ich habe jede Menge Nutzer. Wenn Sie Content anzubieten haben: Schreiben Sie mir einfach eine E-Mail.«
Dave McGaugh, Netzwerktechniker bei Amazon, tat sein Bestes, um mit dem unter seinen Kollegen weitverbreiteten Vorurteil aufzuräumen, seine Trafficbilanz sei geschönt: »Ja, bei uns geht sehr viel Traffic raus, aber das Ungleichgewicht ist kleiner, als Sie glauben.« Der Nachdruck, mit dem Will Lawton, der Vertreter von Facebook, um Peering-Verbindungen warb, war nachvollziehbar – schließlich hat Facebook eine Menge Daten zu verteilen. Das durchschnittliche Verhältnis von ausgehendem zu eingehendem Traffic, so Lawton, liege bei Facebook bei 2:1. Den Skeptikern versicherte er, für jedes Bit, das er ihnen schicke (etwa in Form angeklickter Fotos) werde er ihnen jede Menge Traffic abnehmen (wie zum Beispiel hochgeladene Fotos). Die Botschaft war bei allen Peering-Koordinatoren die gleiche: »Vernetzt euch mit mir!«
Die Botschaft der Internetknoten lautete: »Vernetzt euch bei mir!« – stellt die physische Verbindung bei uns her, lasst euch bei uns nieder! Es herrschte ein harter Wettbewerb, vor allem zwischen den größten Knoten. Das Publikum lauschte gebannt, als unmittelbar nacheinander die Internetknoten in London, Amsterdam und Frankfurt ihre Wachstumsraten herausstellten, ein paar Worte zur Verlässlichkeit ihrer Infrastruktur verloren und zum Schluss die Bedeutung ihres Standorts in der physischen wie in der logischen Welt anpriesen. Den kleineren Knoten, die sich anschlossen, blieb als Argument nur der Verweis auf die Vorzüge ihrer jeweiligen geographischen Lage – die sie in die Lage versetzte, das »Chicago-Problem« eines bestimmten Netzwerks zu lösen. »Wenn Sie über Glasfaserleitungen von New York über Toronto nach Chicago verfügen«, so Kris Foster, der Vertreter des TORIX in Toronto, »dann sollten Sie sich überlegen, bei uns einen Zwischenstopp einzurichten.« Keine schlechte Idee. Ihr Netzwerk könnte dadurch effizienter werden. In jedem Fall wären Sie nicht mehr von einem einzigen Provider abhängig und damit weniger gefährdet, vorübergehend vom Netz abgeschnitten zu sein.
Im Großen und Ganzen jedoch wog die Anziehungskraft der größten Internetknoten schwerer als die Vorteile dezentraler Strukturen. Der Netzwerkeffekt war ein zwingendes Argument: eine Konzentration überproportional vieler Netzwerke an wenigen Orten. Die Folge war eine überraschend große Kluft zwischen den
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