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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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langsamer.« Als die Reaktion ausblieb, brüllte er die Straße hinunter: »Hoooo! Schön langsam!«
    Das Kabel zog sich stramm. Diaz rollte zwanzig Meter zusätzlich auf, wickelte Isolierband herum und befestigte die Rolle an der Wand des Revisionsschachtes – das würde für das »Spleiß-Team« genügen, das demnächst ein paar Glasfasern aus dem Strang mit den Glasfasern verbinden würde, die aus dem Gebäude nebenan kamen. Seales stapelte die orangefarbenen Hütchen aufeinander, klappte die Sicherheitsabsperrung rings um den Revisionsschacht zusammen, und hakte den Deckel wieder ein. Ein Knarren, ein dumpfer Knall. »Wieder ein erfolgreicher Abend«, sagte Seales.
    In ein paar Wochen würde diese neue Verbindung eines Abends in Betrieb genommen werden. Die Glasfasern würden im Keller des Gebäudes Broadway Nr. 55 mit ihren Gegenstücken verspleißt und an die entsprechenden Übertragungsgeräte angeschlossen werden – und zu den unzähligen, haarfeinen, erleuchteten Fasern, die sich unter den Straßen von Lower Manhattan verbergen, würden noch ein paar weitere hinzugekommen sein.
    * * *
    In der Eighth Avenue Nr. 111 stand nicht das einzige große Internetgebäude Manhattans, aber das jüngste. Die beiden anderen großen – Hudson Street Nr. 60 und Avenue of the Americas Nr. 32 – blickten auf eine längere Geschichte als Telekommunikationsknotenpunkte zurück. Doch eines war allen dreien gemeinsam: Die Glasfasern unter der Straße waren genauso wichtig wie das Equipment in den Türmen. Der Grund für diese gute Anbindung war nicht etwa Google. Er ging auf einen Juniabend vor einhundert Jahren zurück.
    »Gestern am frühen Morgen hat Western Union ohne eine einzige Panne die schwierige Aufgabe bewältigt, sämtliche Telegraphenleitungen vom alten Gebäude am Broadway Nr. 195 in die neue Zentrale in der Walker Street Nr. 24 zu verlegen«, vermeldete die New York Times am 29. Juni 1914. 41 Das nagelneue Gebäude an der Ecke Walker Street/Sixth Avenue – mit der heutigen Adresse Avenue of the Americas Nr. 32 – sollten Western Union und AT & T sich teilen: AT & T bezog die unteren zwölf Stockwerke, die oberen fünf waren Western Union vorbehalten. (An dieser Stelle ist der Hinweis angebracht, dass das zweite »T« von » AT & T « für »Telegraph« steht.) »Die in Spitzenzeiten 1500 Telegraphisten, die bislang an den Morsetasten am Broadway Nr. 195 saßen, werden nunmehr die Annehmlichkeiten des modernsten Telegraphiegebäudes des Welt genießen«, frohlockte die Times . Bis 1919 entwickelte sich das Gebäude zu einer der größten Fernsprechzentralen Amerikas, mit 1470 Klappenschränken, 2200 Leitungen für Ferngespräche und einer Vermittlungsstelle für die transatlantische Telefonie per Funk – doch selbst all das genügte nicht, das Telekommunikationsbedürfnis des Landes zu stillen. Heute ist das Gebäude ein zentraler Baustein des New Yorker Internets – auch wenn AT & T und Western Union schon bald wieder getrennte Wege gingen.
    1928 beauftragte Western Union das Architekturbüro Voorhees, Gmelin and Walker mit der Planung eines eigenen, 24-stöckigen Gebäudes, das drei Straßen südlich, in der Hudson Street Nr. 60 entstehen sollte. Daraufhin wollte auch AT & T sich nicht lumpen lassen und gab demselben Architekturbüro den Auftrag, das alte Gebäude zu vergrößern und zur neuen »Fernleitungszentrale« von AT & T auszubauen. Ungeachtet des Börsencrashs ließen sich die beiden Telekommunikationsrivalen Art-déco-Paläste hinstellen, die jeweils über eine Turnhalle, eine Bibliothek, ein Ausbildungszentrum und sogar ein Wohnheim verfügten. Der Schlüssel, der ihnen die Möglichkeit eröffnete, getrennte Wege zu gehen, lag unter der Church Street vergaben: ein dicker Strang aus tönernen Leitungsrohren voller dicker Kupferkabel, über die Nachrichten zwischen den beiden Systemen ausgetauscht werden konnten – eine Art Proto-Internet, das eines Tages dem echten Internet gute Dienste leisten sollte. Beide Gebäude waren in Betrieb, bis durch den Niedergang der Telegraphie in den 1960er Jahren das Gebäude in der Hudson Street Nr. 60 als Telekommunikationsknoten immer mehr an Bedeutung verlor.
    Doch für das Gebäude war das nicht das Ende – und schon gar nicht für die Rohre unter der Church Street. Der zweite Aufstieg der Hudson Street Nr. 60 begann mit der Liberalisierung der Telefonindustrie, als die Gerichte das Monopol von AT & T Stück für Stück demontierten. Western Union hatte das

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