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Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)

Titel: Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Blum
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Gebäude 1973 geräumt, sich jedoch die Rechte an seinem »Netzwerk« gesichert – insbesondere an den Leitungen zu AT & T . Der ehemalige Monopolist AT & T wurde von den Gerichten gezwungen, Wettbewerbern Zugang zu seinem System zu gewähren – doch das bedeutete nicht, dass er ihnen Platz in seinen Immobilien einräumen musste. Es bedurfte eines William McGowan, um einen Weg zu finden, sich diese Infrastruktur zunutze zu machen. McGowan war Gründer und Vorsitzender von MCI , jenes schnell wachsenden Unternehmens, das den Kampf für die Liberalisierung anführte und bald eines der ersten Internetbackbones betreiben sollte. Als er von den ungenutzten Leitungen zwischen den alten Gebäuden erfuhr, handelte er einen Nutzungsvertrag aus und errichtete einen Brückenkopf in der Hudson Street Nr. 60, der über eine direkte Verbindung in den Keller der Avenue of the Americas Nr. 32 verfügte. Die Konkurrenten auf dem Telefonmarkt beeilten sich, es ihm gleich zu tun, und so füllten sich die Etagen des ehemaligen Telegraphiegebäudes nach und nach mit Telefongesellschaften. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis die einzelnen Netze sich in diesem Gebäude miteinander vernetzten und Hudson Street Nr. 60 zu einem Netzknoten machten. Womit wir wieder beim Paradox des Internets wären: Zur Aufhebung der Distanz kommt es nur dann, wenn die Netzwerke sich an einem bestimmten Ort treffen. »Es ist eine geographische Frage. Es geht um Nähe. Um die Adresse«, so Hunter Newby, ein Manager, der entscheidend dazu beigetragen hat, dass aus der Hudson Street Nr. 60 ein bedeutendes Internetgebäude wurde.
    Heute sind unter diesem Dach mehr als vierhundert Netzwerke versammelt – die gleiche Zahl und überwiegend dieselben Namen, die wir von den anderen großen Knoten kennen. Ein halbes Dutzend dieser Netzwerke ist jedoch von besonderer Bedeutung: die transatlantischen Seekabel, die an mehreren Stellen der Küste von Long Island und New Jersey anlanden und dann hier in der Hudson Street Nr. 60 miteinander und mit allem anderen verbunden sind. Erstaunlicherweise haben die meisten von ihnen denselben Ausgangspunkt: das »Telehouse« in London. Dass so viele Transatlantikverbindungen ihren Ausgangs- und Endpunkt in diesen zwei Gebäuden haben, war nicht geplant und ist vermutlich auch nicht sonderlich schlau. Aber es leuchtet natürlich ein – aus dem gleichen Grund, weshalb alle internationalen Flüge auf dem JF K landen. »Es ist in allen Bereichen dasselbe: Die Leute gehen dorthin, wo was los ist«, erinnerte mich Newby. Das Equipment der einzelnen Netzwerke war in der Hudson Street Nr. 60 auf Serverkäfige und Räume unterschiedlicher Größe aufgeteilt, aber viele der an den Decken verlaufenden Glasfaserstränge kamen in einigen wenigen Schalträumen zusammen, den sogenannten Meet-Me-Rooms, die von einer Firma namens Telx betrieben wurden, einem der Hauptkonkurrenten von Equinix. Der größte dieser Räume befand sich im achten Stock, und zufällig hatte man von dort eine gute Aussicht auf das AT & T -Gebäude vier Straßen weiter nördlich. Aber das Entscheidende war natürlich nicht die Aussicht, sondern die unterirdische Verbindung. Ohne diese Verbindung hätte es die beiden Gebäude gar nicht gegeben, nur durch sie waren sie Teil des Internets. Ich wollte sie mir aus der Nähe anschauen.
    Es war ein heißer Sommertag, an dem ich unter dem Tonnengewölbe der Eingangshalle der Avenue of the Americas Nr. 32 John Gilbert traf. Gilbert ist der leitende Geschäftsführer des Familienunternehmens Rudin Management, einer großen New Yorker Immobilienfirma, die 1999 AT & T als Eigentümer der Avenue of the Americas Nr. 32 ablöste. In seinem makellosen weißen Hemd und der repräsentativen Krawatte mit Windsorknoten war er eine stattliche Erscheinung – ein ziemlicher Kontrast zu den Netzwerktechnikern mit ihren Kapuzenpullovern. Er begrüßte mich vor einem Mosaik an der Wand der Eingangshalle: eine ockerfarbene Abbildung der Erdoberfläche mit dem Motto des Gebäudes darunter: »Telefonkabel und Funk machen aus Nationen Nachbarn«. »Warum ist hier von Funk die Rede?«, fragte Gilbert rhetorisch, während er mir noch die Hand schüttelte. »Als dieses Gebäude eröffnet wurde, gab es noch keine transatlantischen Telefonkabel, nur Funkgeräte auf Bojen. Und dann wurde 1955 das hier gebaut.« Er gab mir einen erstaunlich schweren und dichten, handtellergroßen Kupferzylinder, der aussah wie ein aufgeblasener Penny: Ein Souvenirstück

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