Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
in den Straßen unter meinen Füßen Licht pulsierte. Immer wenn ich die Treppen zu einer U-Bahn-Station hinabstieg, stellte ich mir vor, aus der Betondecke würde rotes Licht hervorblinken. Es war die Fortsetzung dessen, was in einem Router vor sich ging, auf Stadtebene. Nur dass das hier nicht das Reich überstudierter Techniker war, in deren Brillen sich Zahlenreihen spiegelten. Hier ging es um dicke Kabelbündel und schmutzige Straßen – um eine viel gewichtigere Realität. Ich begann mich zu fragen, wie das Licht eigentlich unter die Erde kam.
Zum Zeitpunkt ihrer Gründung, 1946, wartete die Hugh O’Kane Electric Company die Druckerpressen von Verlagen. Mittlerweile ist Hugh O’Kane jedoch das wichtigste unabhängige Unternehmen in New York, das auf das Verlegen von Glasfaserleitungen spezialisiert ist. »Wir besitzen jede Menge Leitungen in dieser Stadt«, erzählte mir Victoria O’Kane, eine Enkelin der Firmengründer, am Telefon. Ich wollte dabei zusehen, wie so ein Glasfaserkabel verlegt wird – das neueste Stück Internet. Die Teams von Hugh O’Kane waren praktisch jeden Abend im Einsatz. Also machte ich mich eines Winterabends auf und fuhr zwanzig Minuten mit der U-Bahn, um mich an einer Straßenecke in Manhattan mit einem weißen Lastwagen mit aufgemalten Blitzen zu treffen.
Auf der Ladefläche hatte er eine schwarze Kabelrolle von der Größe eines VW Käfers. Er parkte neben einem Einstiegsschacht mit den Initialen » ECS « für »Empire City Subway«. »Subway« bedeutete hier jedoch etwas anderes, als Sie jetzt vielleicht denken. Das Unternehmen Empire City ist älter als das New Yorker U-Bahn-Netz. ECS , heute eine einhundertprozentige Tochter von Verizon, verfügt seit 1891 über die Lizenz, ein unterirdisches Leitungssystem zu bauen und zu betreiben. Die Gebühren sind festgelegt und seit einem Vierteljahrhundert unverändert: Eine Leitung von zehn Zentimetern Durchmesser schlägt mit monatlich 30,3164 US -Cent pro Meter zu Buche, eine fünf Zentimeter dicke ist für 18,9642 US -Cent zu haben. Wenn Sie eine Leitung einmal durch ganz Manhattan mieten wollen, kostet Sie das ungefähr 4000 Dollar im Monat – vorausgesetzt, in den Rohren ist noch Platz. 40
An diesem Abend sollten Brian Seales und Eddie Diaz, beides Mitglieder der Ortsgruppe 3 der amerikanischen Elektrikergewerkschaft, unter den Straßen von New York einen knapp vierhundert Meter langen neuen Glasfaserstrang verlegen, indem sie ihn durch die bestehenden Rohre von Empire City hindurchfädelten. Die beiden Männer arbeiteten für Hugh O’Kane, aber das Kabel gehörte einer Firma namens Lightower und war ungewöhnlich dick: In ein Kabel vom Durchmesser eines Gartenschlauchs waren 288 einzelne Glasfasern gezwängt.
Wie an den meisten Abenden waren Seales und Diaz um sieben Uhr abends an der Garage in der Bronx losgefahren und hatten um acht den Schacht »entkorkt«, sprich: Sie hatten – gemeinsam, wie es die Vorschriften verlangten – mit Stahlhaken den 75 Kilo schweren Deckel abgehoben. Der Asphalt unter meinen Füßen erzitterte, als der Deckel auf den Boden knallte. Der feine Dampf, der aus dem offenen Schacht aufstieg, wehte über die Straße, auf der kleine Schneeflocken glitzerten, die ersten Vorboten des bevorstehenden heftigen Schneefalls. Ich fror. Seales schien die Kälte nichts auszumachen, die obersten Knöpfe seines Flanellhemds standen offen. »Mir ist egal, wie sehr es schneit, im Schacht wird man nicht nass«, sagte er.
Die Zehen in den Randstein gekrallt, beugte ich mich vor und riskierte einen Blick in das Loch. Der Boden war nicht zu sehen, nur ein Abgrund voller verschlungener Kabel. Um sich mehr Platz zum Arbeiten zu verschaffen, zogen Diaz und Seales zwei Kabelkästen aus Gummi heraus, die so groß wie Labradore und mit » AT & T « beziehungsweise »Verizon« beschriftet waren, und legten sie auf den Broadway. Im Licht der Straßenbeleuchtung sahen sie aus wie riesige Tintenfische, an deren grauen Körpern schwarze Kabel baumelten. Manche Schächte sind so mit Kabeln vollgestopft, dass sie hervorquellen wie Schlangen, sobald man den Deckel abnimmt. Der Revisionsschacht lag unmittelbar am Sicherheitsring um die New Yorker Börse. Banker eilten auf dem Nachhauseweg an uns vorbei. Ein Polizist in einem kugelsicheren Verschlag warf uns einen wissenden Blick zu. Wir waren Teil des nächtlichen Rhythmus der Stadt; nach einem Tag des Geldumschichtens war nun die Zeit gekommen, sich um die handfeste
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