Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
alles chaotisch und durcheinander. Es war ein überraschend schäbiges Stück Internet. Jetzt verstand ich, warum ein Techniker zu mir gesagt hatte, das Telehouse North sei unter den Internetgebäuden, was Heathrow unter den Flughäfen sei. Jedenfalls war das hier ähnlich bedeutend wie jener. Die paar kaputten Bodenfliesen wurden durch den Status des Gebäudes als einer der wichtigsten Knotenpunkte des Internets mehr als wettgemacht. Heute ist es, was es ist – und es ist fast unmöglich, das zu ändern. Ebenso gut könnte man sich beschweren, dass die Straßen in London nicht breit genug seien.
Schließlich kamen wir zum hotelzimmergroßen Raum des London Internet Exchange. Er war vollgestopft und gemütlich, der herumliegende Müll zeugte von den vielen Stunden, die die Techniker darin verbrachten. Blaue Netzwerkkabel hingen wie Krawatten an einer Reihe von Haken, gleich neben den Jacken. Silcock erklärte mir die Funktion der einzelnen Geräte und erzählte mir mehr über die Geschichte dieses Internetknotens. Es war gegen Mittag, ich bekam langsam Hunger, und beinahe wäre ich gegangen, ohne ihn zu sehen. Doch ganz am Ende des schmalen Gangs, etwas versteckt zwischen all den Computern, stand, unschuldig vor sich hin blinkend, ein weiteres Exemplar jener mannshohen Maschinen: ein Brocade MLX -32, hergestellt in einem Gebäude mit verspiegelter Fassade im kalifornischen San José. Silcock stellte seinen Laptop auf einer Werkzeugkiste ab und schaute den aktuellen Traffic nach. In diesem Augenblick strömten pro Sekunde dreihundert Gigabit Daten durch diesen Switch, von insgesamt achthundert Gigabit, die aktuell durch den London Internet Exchange insgesamt geschleust wurden. Tief im Herzen des Telehouse hatte ich plötzlich die Stimme von Par Westesson im Ohr, so deutlich, als würden wir miteinander telefonieren. Ein Gig ist eine Milliarde. Eine Milliarde Bits in Form von Licht.
37 Ralph Waldo Emerson, Natur , Stuttgart 1982 (1903), S. 88f.
38 Rich Miller, ›Google Confirms Purchase of 111 8th Avenue‹, Data Center Knowledge , http://www.datacenterknowledge.com/archives/2010/12/22/google-confirms-purchase-of-111-8th-avenue/ [03.04.2012].
39 Die Bezeichnung »Hudson Street/Ninth Avenue Fiber Highway« verbreitete sich zuerst unter Immobilienmaklern und wurde dann auch von Betreibern von Rechenzentren übernommen. Vgl. zum Beispiel die Website von Telx, http://www.telx.com/Facilities/telxs-new-york-city-colocation-a-interconnection-facility.html [03.04.2012].
40 Die Gebühren von Empire City Subway sind seit 1987 nicht erhöht worden, vgl. http://www.empirecitysubway.com/ratesbill.html [03.04.2012].
41 ›195 Broadway Deserted‹, The New York Times , 29.06.1914.
42 J. G. Ballard, Hochhaus , Frankfurt am Main 1992, S. 8.
43 J. G. Ballard, Hochhaus , a. a. O., S. 9.
44 David Leppard, ›Al-Qaeda Plot to Bring Down UK Internet‹, Sunday Times, 11.03.2007.
6 Die längsten Kabel der Welt
Das Unterwasser-Telekommunikationskabel SAT -3 hat seinen Ausgangspunkt am westlichen Ende Europas und verläuft entlang der Atlantikküste Afrikas. Es verbindet Lissabon in Portugal mit Cape Town in Südafrika und legt unterwegs Zwischenstopps in Dakar, Accra, Lagos und anderen westafrikanischen Städten ein. Nach seiner Fertigstellung im Jahr 2001 war es für die fünf Millionen Internetnutzer in Südafrika der wichtigste »Draht« zur Welt – aber er reichte hinten und vorn nicht. Das SAT -3-Kabel hat eine vergleichsweise geringe Übertragungskapazität, da es nur vier Glasfaserstränge enthält; bei den dicksten Seekabeln, die Daten über große Entfernungen übertragen, sind es bis zu sechzehn. Dass die Leitung acht weitere Länder anband, bevor sie schließlich Cape Town erreichte, schmälerte ihre Kapazität noch mehr. In Südafrika kam ungefähr noch so viel an wie in einer Dusche im obersten Stock eines Hochhauses. Das Land hatte es mit einer viel diskutierten »Kapazitätskrise« zu tun, die mit geringen maximalen Übertragungsraten und exorbitanten Preisen einherging.
Mehr Kopfzerbrechen als irgendjemandem sonst machte das Andrew Alston. Als Technischer Direktor des TENET , des südafrikanischen Forschungs- und Universitätsnetzwerks, war Alston von Anfang an von SAT -3 abhängig und musste immer mehr Übertragungskapazität kaufen, um die wachsenden Bedürfnisse des Bildungssystems zu befriedigen. 2009 bezahlte Alston für eine 250-Megabit-Verbindung eine Jahresgebühr von fast 6 Millionen Dollar.
Dann kam
Weitere Kostenlose Bücher