Kabelsalat: Wie ich einem kaputten Kabel folgte und das Innere des Internets entdeckte (German Edition)
nebeneinander an der Wand angebracht waren. Cooper saß im mittleren Bildschirm. Er war Anfang Vierzig, hatte eine polierte Glatze und sah trotz seines fröhlichen Grinsens ein wenig erschöpft aus, wie er da spätabends so mutterseelenallein in einem Raum in Singapur saß und sich über die High-End-Videokonferenzverbindung von Tata mit mir unterhielt. Wir hatten schon einmal miteinander gesprochen. Beim letzten Mal hatte Cooper um Mitternacht in einer Flughafenlounge in Dubai gesessen. Er schien ständig durch die Welt zu schweifen, körperlich und gedanklich, als wäre er die Inkarnation des Netzwerks höchstpersönlich. Vermutlich hatte es damit zu tun, dass ich mit einem Bildschirm redete, aber irgendwie konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, dass Cooper ein Mann im Inneren des Internets war. Für eine Branche, in der Vernebelungstaktik an der Tagesordnung ist, war er angenehm freundlich und direkt. Der Grund lag auf der Hand: Um mit den AT & T s und Verizons dieser Welt zu konkurrieren, musste Tata seinen Bekanntheitsgrad erhöhen – und für Anfragen von Journalisten stets ein offenes Ohr haben.
»Wir haben einen Gürtel einmal um die Welt gelegt, und jetzt greifen wir ein bisschen nach oben und unten aus«, sagte Cooper lässig, als wäre die Erde sein Vorgarten. Tata hatte sein Kabel zwischen den USA und Japan um eine Verbindung nach Singapur und weiter nach Chennai ergänzt. Von Mumbai aus führte ein weiteres Tata-Kabel durch den Suezkanal nach Marseille. Von dort verlief die Leitung über Land weiter nach London, wo sie an das Transatlantikkabel angebunden war, das vom englischen Bristol nach New Jersey reichte. Auch wenn Cooper das so erzählte, als ob es keine große Sache wäre: Er hatte ein System aufgebaut, in dem ein Lichtstrahl den ganzen Globus umrunden konnte.
Um ein wenig »nach oben und unten auszugreifen«, erwarb Tata Anteile am neuen Kabel nach Südafrika, SEACOM , sowie am neuen Kabel entlang der afrikanischen Westküste, das den Stau im SAT -3 beheben sollte. Außerdem machte der Konzern Anstalten, sich im Persischen Golf zu etablieren. In Planung war ein neues Kabel, das Mumbai mit Fudschaira in den Vereinigten Arabischen Emiraten verbinden und von dort durch die Straße von Hormus nach Katar, Bahrain, Oman und Saudi-Arabien führen sollte. Das Kabel sollte entlang des Persischen Golfs einen Hafen nach dem anderen ansteuern wie ein Postschiff.
»Global zu operieren bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich«, sagte Cooper im Flachbildschirm und legte die Vorteile mit seiner Hand einen nach den anderen auf den Schreibtisch am anderen Ende der Welt. »Wir sind mit fünfunddreißig der größten Internetknoten auf der ganzen Welt vernetzt, so dass Sie über uns leicht den DE - CI X , den AMS - IX oder London erreichen können, egal, ob es um die letzte Meile oder die letzten dreitausend Kilometer geht. Und dann sind da natürlich unsere hervorragenden Möglichkeiten, auf Störungen zu reagieren, unsere Fähigkeit, die ganze Welt zu umrunden.« Mit anderen Worten: Für den Fall, dass das Kabel zwischen Tokio und Kalifornien aus irgendeinem Grund ausfallen sollte – etwa durch ein Erdbeben –, konnte Tata versprechen, dass die Daten dann einfach andersherum geschickt werden. Das erinnerte mich an die zwei Direktflüge von New York nach Singapur, die Singapore Airlines täglich anbietet: Eine Maschine fliegt ost-, die andere westwärts. Doch nur im Fall des Internets gehen wir mit den endlosen Weiten unseres Planeten derart lässig um – und das auch nur deshalb, weil wir über physikalische Verbindungen wie diese verfügen.
Aus Sicht von Tata war all das Teil der Strategie, diejenigen Orte ans Netz zu bringen, die noch ohne Verbindung sind – und so dem Überangebot und den fallenden Preisen auf den Routen über den Atlantik und Pazifik zu entfliehen. »Nehmen wir zum Beispiel Kenia«, sagte Cooper. »Noch letzten August hatte es lediglich eine Satellitenverbindung. Und jetzt ist es plötzlich genauso gut angebunden wie die meisten anderen Küstenländer der Welt – von Hotspots wie Hongkong, die über zehn oder zwölf Kabel verfügen, mal abgesehen. Das ist ein Sprung von Null auf drei Kabel innerhalb von achtzehn Monaten. Damit ist es Teil des globalen Netzes. Nicht jeder Kunde will eine Verbindung von Kenia nach London. Aber wenn sie erst einmal möglich ist und stabil und verlässlich, dann beginnen die Leute, die ständig auf der Suche nach den Standorten mit den niedrigsten
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