Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
hätte ich nicht
, hielt Benjamin dagegen.
Es ging viel zu rasch. Er hat sich fallen lassen. Ist vornüber gekippt. Ich konnte ihn nicht halten. Sein Schioverall war schlüpfrig
.
Benjamin spannte sämtliche Muskeln an.
Konzentrier dich!
Mit eiserner Selbstdisziplin brachte er seine Gedanken zur Räson und wandte seinen Blick den verbliebenen Fahrgästen zu. Die Passagiere wirkten zu Tode erschrocken. Gleichzeitig aber auch … gefasst. Wenn es nicht völlig absurd gewesen wäre, hätte Benjamin angenommen, dass sie den Unfall vorausgeahnt oder wenigstens mit einer Katastrophe gerechnet hatten.
Hier stimmte etwas nicht. Die Situation war …
falsch
.
Erst jetzt erkannte Benjamin die beiden reglosen Gestalten am Boden. Ein eisiges Kribbeln erfüllte seine Nervenbahnen. Was zum Teufel war in der Kabine vorgefallen? Was hatte ihnen Sebastian verschwiegen?
Konzentrier dich
, dachte Benjamin verbissen.
Neun Personen sind am Leben. Sie alle wollen gerettet werden
.
Unerwartet fiel ihm ein Kinderreim ein:
Zehn kleine Negerlein, die …
SCHLUSS!
„Wir können nichts für ihn tun“, krächzte Benjamin. „Wir müssen weitermachen. Wer ist der Nächste?“
„Ich“, sagte Sonja mit fester Stimme und trat vor.
„Warte!“, rief Raphael und hielt sie zurück.
„Auf was denn? Dass die Bergung abgebrochen wird, weil der Wind zu stark ist? Es war ein Unfall, verdammt, das haben wir alle gesehen!“
Raphael kaute auf seiner Unterlippe.
„Gut, aber ich helfe dir.“
Gemeinsam traten sie auf Benjamin zu. Der Sicherheitschef hatte sich so gestellt, dass er die Öffnung blockierte. Man hätte ihn mit Gewalt zur Seite stoßen müssen, um aus der Tür zu treten.
Benjamin hielt Sonja den offenen Rettungsgurt entgegen. „Hier reinsteigen.“
Stumm tat Sonja wie ihr geheißen und zog den Gurt bis zu ihrer Hüfte hoch. Raphael half ihr, die Schnallen festzuzurren.
„Fertig“, kommentierte sie.
Benjamin kontrollierte die Verschlüsse und hängte Sonjas Gurt an den seinen. „Bitte zurücktreten“, sagte er an Raphael gewandt. „Niemand nähert sich der Tür, bis ich zurück bin.“
Raphael gab seiner Freundin einen ungeschickten Kuss. „Sei vorsichtig“, flüsterte Sonja so leise, dass nur Raphael ihre Worte verstand. „Irgendjemand hier ist ein Mörder.“
Schiregion Kitzbühel, Piste 55, nahe Kabine 14
Sonntag, 7. Januar, 09:27 Uhr
Sie hatten gerade noch rechtzeitig angehalten und sich an einen Aussichtspunkt begeben, um der Bergung des ersten Passagiers beizuwohnen. Zwei heftig hin- und herpendelnde Personen wurden soeben in den Helikopter gezogen. Der amorphe Umriss des Hubschraubers war durch den schwächer werdenden Schneefall klar zu erkennen. Zweifellos würden das beeindruckende Aufnahmen werden.
Ernst stieß derbe Flüche aus, als die Batterie seiner Filmkamera den Geist aufgab und er den Akku wechseln musste. Stefanie grinste unverblümt. Bereits die Fahrt auf den Berg musste Ernst einiges an Nerven gekostet haben. Er war noch nie zuvor auf einem Motorschlitten gesessen und zweimal mit der Maschine umgekippt. Stefanie hatte schallend gelacht, aber das Bild war auch einfach göttlich: Ernst, der wie ein halb im Schnee versunkener Käfer auf dem Rücken lag und hilflos mit seinen dicken Ärmchen ruderte. Sie warf Andreas einen Blick zu. Auch er grinste. Allerdings in ihre Richtung. Peinlich berührt wandte Stefanie den Kopf. Sie spürte, wie ihre Wangen rot wurden. Mit etwas Glück war die Verfärbung aber nicht kräftiger als das zarte Rosa, das ihr bereits durch die Kälte im Gesicht stand.
Andreas übte eine seltsame Anziehungskraft auf sie aus. Obgleich sie erst wenige Sätze miteinander gesprochen hatten, war eine gegenseitige Empathie, vielleicht eine tiefe Seelenverwandtschaft nicht zu leugnen. Im Gegensatz zu manch anderen Frauen störte sie auch Andreas’ Vollbart nicht. Er gab ihm etwas Wildes, Unberechenbares. Außerdem waren da seine dunklen Augen. Erfüllt von einem inneren Feuer, das Stefanie am liebsten direkt auf ihrer Haut gespürt hätte; zusammen mit seinen kräftigen, aber doch zärtlichen Männerhänden. Ein schöner Gedanke.
*
Andreas vergrub unschlüssig die Hände in seinen Jackentaschen. Diese Frau verdrehte ihm völlig den Kopf. Sie glich einem wahr gewordenen Männertraum: Dunkle Rehaugen, eine unglaublich erotische Stimme und ihr Lächeln … brachte ihn jedes Mal zum Schmelzen. Dass sie etwas mehr auf den Hüften trug, bekümmerte ihn nicht. Er mochte es, wenn
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