Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
aus hellen Lichtblitzen folgten.
Schmarrn
, dachte Sepp und kauerte sich tiefer auf den Boden, als der Sturm weiter an Stärke zulegte.
Ich hätte meine Kamera mitnehmen sollen
.
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 09:17 Uhr
„Die Dreiseilumlaufbahn von Kitzbühel könnte man als eines der technischen Wunderwerke Österreichs bezeichnen“, dozierte Matteo. Er hatte seine Schi gegen das Fenster gelehnt, um seinen Vortrag mit gewichtigen Gesten unterstreichen zu können. „Nach der Luftseilbahn in Whistler, Kanada, hat sie mit rund vierhundert Meter Bodenabstand die zweitgrößte Höhe über Grund und ein Spannfeld von über zweieinhalb Kilometer.“
„Was bitte ist ein Spannfeld?“, warf Rüdiger ein.
„Der Abstand zwischen den Seilbahnstützen, auch Spannweite genannt. Wie wir gleich sehen werden, kommt die 3S-Bahn mit nur einer einzigen separaten Stütze aus. Auch das ist bemerkenswert.“
Gegen ihren Willen war Emma fasziniert und lauschte den Worten ihres Mannes. Manchmal war es ganz praktisch, einen allwissenden Gemahl zu haben.
„Um zu verhindern, dass es zu Seilüberschlägen kommt“, fuhr Matteo fort, „werden in den Spannfeldern Seilreiter verwendet, die einen gleichmäßigen Abstand der drei Seilstränge gewährleisten. Das sind diese Dreiecke, seht ihr?“ Er deutete aus dem Fenster.
„Die Fahrtgeschwindigkeit beträgt übrigens fast fünfundzwanzig Kilometer pro Stunde. Das heißt, wir benötigen für die dreitausendsechshundert Meter Streckenlänge nur neun Minuten.“
„Beeindruckend“, sagte Rüdiger und lugte in Richtung Talboden. „Mir scheint, jetzt passieren wir gerade die vierhundert Meter Bodenabstand.“
Emma wurde etwas mulmig zumute, als sie Rüdigers Blick folgte. So hoch über der Erdoberfläche wirkten die Bäume wie Spargelspitzen und der Bachlauf wie ein Faden aus Silber. Emma zog den Kopf zurück. Besser, sie blickte nicht mehr nach unten, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen spürte.
Nur ein paar Minuten
, dachte sie und schloss für einen Moment die Augen.
Dann hast du es überstanden
.
Die Gondel wurde langsamer, das gleichmäßige Summen gefederter Rollen leiser. Augenblicke später, und Kabine vierzehn hing regungslos vierhundert Meter über dem Erdboden.
Seilbahn GmbH Kitzbühel, Büro des Sicherheitschefs
Samstag, 6. Januar, 09:19 Uhr
„Was ist denn los?“ Nataschas Stimme klang mehr neugierig als überrascht. „Warum fluchst du?“
„Stromausfall“, erwiderte Benjamin, sprang auf und riss die Tür seines Büros auf. Aufgeregte Stimmen schlugen ihm entgegen. „Ich fürchte, da bin ich nicht allein. Würde mich nicht wundern, wenn ganz Kitzbühel betroffen ist.“
„Die 3S-Bahn bewegt sich nicht mehr.“
„Was?“
„Ja. Sie steht still. Definitiv.“
Benjamin ballte die freie Hand zur Faust. „Das gibt’s doch nicht. Wieso springt der Notantrieb nicht an?“
„Ist er überhaupt schon repariert?“
Darauf wusste Benjamin keine Antwort. „Selbst wenn nicht“, warf er ein, „müsste der Reserveantrieb in der Talstation funktionieren.“
„Müsste, genau.“
„Könntest du …“
„Natürlich. Ich fahre sofort rüber und sehe mir das an. Übrigens wird der Wind immer stärker.“
„Scheiße, so geht das nicht weiter!“ Benjamin hetzte durch den Gang und erblickte Franz, der mit lauter Stimme und wüsten Gesten Befehle erteilte. Benjamin entschied, den Betriebschef vorerst nicht auf den Zwischenfall anzusprechen, und winkte stattdessen Thomas heran.
„Ruf in der 3S-Bergstation an“, sagte er mit gedämpfter Stimme. „Sie sollen den Notantrieb aktivieren. Wenn er nicht anspringt, muss die Talstation aushelfen. Hauptsache die Gondeln fahren wieder. Und kein Wort zu Franz.“
Ohne eine Erwiderung abzuwarten stürmte er in sein Zimmer zurück. „Ich kann nicht im Büro bleiben“, sagte er an Natascha gewandt. „Ich muss mir das selbst ansehen.“
„Bis du hier bist, ist es zu spät“, entgegnete sie. „Keine Sorge, ich schaffe das schon.“
„Natascha …“
„Ja?“
„Sei vorsichtig.“
Natascha lachte leise. „Ach, komm. Was soll mir schon passieren?“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 09:19 Uhr
„Nanu.“ Sonja ließ Raphaels Hand los. „Wir sind stehen geblieben, oder?“
Raphael warf einen Blick aus dem Fenster und lugte zu den Stahlseilen über ihren Köpfen empor. „Sieht ganz danach aus.“
„Schade, dass wir nicht allein in der Kabine
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