Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
blauen Augen.
„Wie gelangt man von der Pharmazie in den Bereich der Geisteswissenschaften?“, wollte Matteo wissen.
„Ist eine lange Geschichte“, gab Martin zurück. „Oder auch nicht. Ich hatte, sagen wir mal, eine Reihe von prägenden Erlebnissen.“
„Sie meinen, Sie sind in den Genuss göttlicher Erleuchtung gelangt?“
Matteo und der Geistliche musterten einander abschätzend. Offenbar konnte Matteo den Pastor auch nicht leiden. Gewöhnlich hielt er sich Fremden gegenüber zurück, zumindest was sarkastische Äußerungen anbelangte.
„Wohl eher göttlicher Erfahrung“, sagte Martin.
Innsbruck, ZAMG, Wetterdienststelle
Samstag, 6. Januar, 09:31 Uhr
Andreas hob gerade seinen zerstörten Monitor vom Fußboden, als das Telefon klingelte. Hastig schaufelte er Papier und Dreck beiseite, um an das verschüttete Gerät zu gelangen. Wenigstens das Telefon war unbeschädigt geblieben. „Mit welcher Windgeschwindigkeit ist zu rechnen?“, fragte der Anrufer ohne einleitende Floskel.
„Bitte?“ Andreas war noch nicht ganz bei der Sache und betrachtete kopfschüttelnd seinen Zimmerfarn, dessen gesplitterter Blumentopf sich mitsamt der Pflanzenerde auf und im Drucker verteilt hatte.
„In Kitzbühel. Am Berg. Etwa tausendfünfhundert Meter Seehöhe.“
„Wie? Sie …“ Andreas hielt inne. „Mit wem spreche ich?“
„Benjamin Lehnwieser, Sicherheitschef der Seilbahn GmbH Kitzbühel.“
„Wollen Sie mir sagen, dass der Liftbetrieb noch nicht eingestellt wurde?“
„Doch. Theoretisch. Wir hatten ein Problem mit der 3S-Bahn. Einige Kabinen sind noch draußen.“
Andreas ließ den Hörer sinken. Sein Blick wanderte über die Zerstörungen im Büro. Peter hatte ihm vorhin mitgeteilt, dass im Raum Innsbruck unzählige Bäume entwurzelt und Dächer abgedeckt worden waren. Dabei hatte es die stärksten Böen nicht einmal in der Stadt, sondern auf den Bergen gegeben.
„Hallo?“ Die Stimme klang nervös, drang gedämpft aus dem Hörer.
„Zweihundert Stundenkilometer an der Gewitterfront. Danach immer noch Böen über hundertfünfzig.“
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 09:32 Uhr
„Ach ja“, sagte Sonja und strich sich eine Locke aus dem Gesicht. „Das habe ich dir noch gar nicht erzählt. Markus hat Laura einen Heiratsantrag gemacht.“ Raphael erstarrte. „Ähm“, erwiderte er zögernd. „Die kennen sich doch erst seit ein paar Monaten.“
„Genau“, bestätigte Sonja. „Aber er hat gemeint, sie wäre seine Traumfrau, er wolle ewig mit ihr zusammen sein und das ganze Blabla.“
Raphael spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach.
Ruhig Blut
, dachte er.
Sie hat es nicht so gemeint
.
„Wie hat sie reagiert?“, warf er ein.
„Na, rate mal. Sie hat den Antrag natürlich angenommen. Und mich nachher unter Freudentränen angerufen.“
„Und, hm, was hast du ihr gesagt?“
„Das einzig Richtige: Ob sie sich das gut überlegt hat, und dass sie nichts überstürzen soll.“
„Wieso denn? Junge Liebe ist doch was Schönes.“
„Ja, aber sie kennen sich kaum ein halbes Jahr. Ich meine, was weiß man zu diesem Zeitpunkt von seinem Gegenüber? Okay, was er für Hobbys und Interessen hat. Aber wie es mit seinem Innenleben aussieht, welche Marotten er vielleicht verbirgt, ob er auch in Krisenzeiten zu einem steht? Ich glaube nicht.“
„Das stimmt schon“, wandte Raphael ein, „aber …“
„Ich denke“, fuhr Sonja unbeeindruckt fort, „man sollte sich Zeit lassen, um seinen Partner richtig gut kennenzulernen. Es heißt ja nicht umsonst: ‚Drum prüfe, wer sich ewig bindet‘. Ich würde jedenfalls noch nicht heiraten wollen.“
Tja
, dachte Raphael und presste die Fingernägel in seine Handflächen.
Das war’s dann wohl mit meinem Antrag
.
Schiregion Kitzbühel, Bergrestaurant Pengelstein
Samstag, 6. Januar, 09:33 Uhr
„Siehst du die schwarze Wolkenwand dort drüben? Könnte Sturm geben.“ Joseph stellte den Brotkorb auf einen Tisch und näherte sich dem Fenster.
„Haben sie erst für Mittag vorhergesagt.“ Hans warf nur einen flüchtigen Blick nach draußen und widmete sich wieder der Kaffemaschine.
„Nein, wieso? Heute Morgen hieß es, die Front würde im Lauf des Vormittags eintreffen.“
„Also laut den Liftbetrieben soll es …“
„Moment mal.“ Joseph starrte nach Westen. „Schau mal dort, auf Höhe der Kälberwaldalm.“
Widerwillig stellte Hans die Kaffeetasse ab und trat neben seinen Kollegen. Eine dunkle Linie hoch
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