Kabine 14: Ein Kitzbühel-Thriller (German Edition)
Wagen.“
„Meinetwegen.“ Bernhard zuckte die Schultern. „Solange kein federweiches Himmelbett im Zimmer steht, ist mir alles recht.“
„Du willst doch nicht etwa schlafen?“
Bernhard kniff die Augenbrauen zusammen. „Wir brauchen den Schlaf“, stellte er fest. „Du wahrscheinlich mehr als ich.“
Als Anna protestieren wollte, hob Bernhard beschwichtigend die Hand. „Natürlich werden wir uns nicht gleichzeitig hinlegen. Wir wechseln uns bei der Überwachung des Fahrzeuges ab, in Ordnung?“
„Falls ihr Hilfe braucht“, meldete sich Arthur zu Wort. „Ich habe heute Nacht Bereitschaftsdienst wegen dem Seilbahnunglück in Kitzbühel. Über das Funkgerät könnt ihr mich jederzeit erreichen.“
„Seilbahnunglück?“
„Ja.“ Arthur verzog die Lippen. „Seltsame Geschichte. Mehrere Personen sind in einer Gondel eingeschlossen und müssen die Nacht darin ausharren.“
„Sehr unangenehm“, stellte Bernhard fest.
Schiregion Kitzbühel, 3S-Bahn, Kabine 14
Samstag, 6. Januar, 21:00 Uhr
„Ja, Chirurg“, sagte Matteo. „Seit fünf Jahren bin ich Primar am Krankenhaus in Schlanders.“
„Das liegt in Südtirol, oder?“, erkundigte sich Sonja.
„Korrekt. Im sommersauheißen und winterarschkalten Vinschgau.“
„Jetzt übertreib mal nicht“, wandte Emma ein. „Wir haben ein sehr angenehmes Klima.“
Matteo ignorierte seine Frau und fuhr fort: „Begonnen habe ich als Gerichtsmediziner in Bozen. Auf Dauer war mir das zu … abstoßend. Ich habe kein Problem damit, an lebendigen Menschen herumzuschnipseln, auch wenn sie mit dem Tod ringen. Aber wenn sie einmal tot sind – nun, das war nicht so meins.“
„Mein Vater hatte viel mit Gerichtsmedizinern zu tun“, sagte Sonja. „Er war Polizeikommissar. Einmal hat er gemeint, es gibt zwei Sorten von ihnen. Die einen, idealistischen, die zwei, drei Jahre ihre gesamte Energie in den Job stecken und dann aufgeben. Die anderen, pragmatischen, sehen die Toten nicht länger als Menschen. Sie bleiben ihr ganzes Leben lang in dem Job.“
„Da war ich wohl zu idealistisch“, brummte Matteo. „Oder die Ausdünstungen des Todes haben mich einmal zu viel in der Nase gekitzelt.“
„Was macht ihr beruflich?“, fragte Emma.
„Ich bin Doktorand der Informationstechnologie in München“, sagte Raphael. „Mittlerweile am Fertigwerden. Hoffentlich.“ Er grinste schief. „Nebenbei arbeite ich in einem Kommunikationsbetrieb.“
„Ich studiere Soziologie im Master“, ergänzte Sonja. „Sollte auch demnächst mal abschließen.“
„Ebenfalls in München, nehme ich an?“
„Ja. An der Ludwig-Maximilians-Universität.“
„München ist eine aufregende Stadt“, meinte Matteo. „Habe mich erst vor ein paar Tagen wieder davon überzeugen können.“
*
„Ich muss pinkeln“, sagte Henrik.
Die Gespräche verstummten augenblicklich. Emma stellte fest, dass sie bei Weitem nicht die Einzige war, die den Rothaarigen für unberechenbar hielt.
Sebastian versuchte ein Lächeln. „Kein Problem, die Toilette ist frei.“
Henrik würdigte Sebastian nicht einmal eines Blickes und erhob sich. Als er an Emma vorbeischritt, fielen ihr eigenartige Flecken auf der Hand des Mannes auf. Weiße, teilweise ins bläuliche gehende Hautstellen, die definitiv ungesund aussahen. Emma ahnte, worum es sich handelte. Als Einziger in der Kabine trug Henrik keine Handschuhe. Vermutlich waren die Verfärbungen erste Anzeichen von Erfrierungen.
Emma überlegte, ob sie Henrik darauf ansprechen und ihre Hilfe anbieten sollte. Sie tat es nicht, aus drei Gründen: Erstens erwartete sie bestenfalls einen schnippischen Kommentar des Rothaarigen, wenn er sie nicht überhaupt ignorierte. Zweitens gab es in der Kabine keine Möglichkeit, Erfrierungen zu behandeln; auch hatte niemand zusätzliche Kleidungsstücke dabei. Der dritte Grund war persönlich: So unfreundlich und gehässig, wie Henrik bisher zu ihr gewesen war, geschah es diesem grobschlächtigen Kerl nur recht, wenn er jetzt leiden musste.
Krankenhaus Kufstein, Unfallchirurgie
Samstag, 6. Januar, 21:25 Uhr
Natascha schlummerte tief und friedlich. Mit einem milden Lächeln betrachtete Benjamin ihre schlafende Gestalt. Sie lag am Rücken, die langen, blonden Haare in einem Fächer um ihr Gesicht gebreitet. Die bandagierte Hand lag neben ihrem Körper, die zweite hatte sie über ihrem Kopf angewinkelt und die Finger gespreizt, als wollte sie nach einem vergänglichen Traum haschen.
Sie war wunderschön. Einmal mehr
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