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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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stürzen können. Katinka lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter, als sie an all die bizarr ausgespülten Schluchten und Höhlungen im Fels dachte. Die Plateaufelsen bestanden aus Riffdolomit, einem sandigen, mittlerweile löchrigen und verwitterten Gestein. Jetzt, da die frühe Dämmerung über die karstigen Formen kroch, wirkte alles surreal, widersinnig. Sie konnte sich gut vorstellen, woher die Geschichte von den Querkelen kam, geheimnisvollen Wesen, die aus dem Loch herauskrochen und den Bäuerinnen die Klöße aus den Töpfen stibitzten.
    21 Uhr 30. Und noch hell. Katinka trat schnell von den Felsen zurück. Sie ging den Weg in westliche Richtung weiter. Dort hinten türmten sich die beeindruckendsten Felsformationen, selbstverständlich die Stelle, die Booz sich für seine Installation ausgesucht hatte. Katinka wollte nicht an Booz denken. Nicht jetzt, in dieser friedlichen Stimmung. Ein Schauder kroch über ihr Rückgrat. Sie blinzelte nervös in der Dämmerung. In den Felsspalten wucherten Holundersträucher. Katinka atmete tief den betäubenden Duft ein. Die rot-weiße Frankenfahne wehte auf einem der äußersten Felsen. Katinka fragte sich, wie sie dort hatte installiert werde können. Der Felsen ragte wie ein einzelner Finger in die Luft, ohne Verbindung zum Plateau. Das traf überhaupt für viele der Steinhöcker zu. Man konnte sie nur mit einem beherzten Sprung über Spalten erreichen, einige von ihnen bestimmt einen Meter breit. Vorsichtig tastete Katinka sich auf den ausladendsten Felsvorsprung. In den steinernen Vertiefungen stand noch Regenwasser. Wie Soßenreste auf einem Teller, dachte Katinka. Vorsichtig trat sie ganz nahe an den Abgrund heran. Sie wagte kaum, sich vorzubeugen. Wer hier abstürzte, hatte keine Chance. Man würde sich sämtliche Knochen brechen und auf irgendeinem der spitzen Kegel liegen bleiben, unerreichbar für schnelle Hilfe. Sie drehte sich um und ging weiter, übersah den Kletterhaken, der vor ihr in den Fels geschlagen war, und stolperte. Schnell fing sie sich. Ihr Herz hämmerte. 21 Uhr 50. Zeit, dass sie nach Dani Ausschau hielt. Dani musste sie sehen, so deutlich wie sie sich vor dem im Westen noch hellen Himmel abhob. Katinka beobachtete, wie sich die Beleuchtung des Gipfelkreuzes einschaltete. Das Neonlicht flackerte eine Weile, dann schimmerte das gleißende Weiß gespenstisch in die Dämmerung. Sie schlenderte weiter. Der Lärm der Autobahn unten dröhnte deutlich herauf. Je dunkler es wurde, desto klarer meinte sie die einzelnen Geräusche sezieren zu können. Ein Zug brauste durch das Tal. Nahe bei der Flagge blieb Katinka
    stehen. Jemand hatte einen Euro verloren. Katinka bückte sich und hob ihn auf. Als sie sich aufrichtete, wurde ihre Aufmerksamkeit von einem Blitzen erregt. Sie zuckte zurück. Eine Lichtspiegelung vielleicht, ein Reflex des späten Abendlichtes. Da war niemand auf dem Plateau. Niemand außer ihr selbst. Sie steckte die Münze ein und fühlte Enttäuschung, keine kappadokische Silberdrachme aufgelesen zu haben. Das wäre ein Fund gewesen.
    Sie drehte sich um. Wieder ein Schimmer, den sie in den Augenwinkeln einfing. Sie trat ganz nahe an den Felsabbruch heran. Blickte hinunter.
    Unter ihr ein einzelner Felsen, wie ein abgebrochener Bleistift. Auf dem Stein lag Dani. In ihrer Brust steckte ein Schwert.
     
    Ängste, so lehrt man uns, kann man überwinden.
    Es sollte allerdings zuweilen sinnvoll sein, seinen Ängsten zu vertrauen wie guten Freunden. Sie bilden ein archaisches Warnsystem, das uns vor zuviel Dummheit bewahrt.
    Das ist wohl dein größter Fehler. Du neigst dazu, dich zu trainieren wie ein Hochleistungssportler es tut oder ein Politiker mit Absichten auf Machtpositionen. Dadurch tötest du deine Instinkte. Ich gebe zu, es freut mich, einen Mangel an dir zu entdecken. Das macht dich menschlicher und dadurch beinahe sympathisch, auch wenn deine zahlreichen schlechten Charakterzüge wie Ehrgeiz und Betrügereien mich davon selbstverständlich abhalten. Rechnungen werden bezahlt, so ist es im Leben. Ich bin dein Gläubiger. Ich bekomme noch den Preis, der mir zusteht. Letztlich ist es mit der Schuld wie mit einem alkoholseligen Abend: zuerst sieht alles so aus, als machte es nichts aus. Aber dann kommt die Quittung.
    Ja, tatsächlich ist die Angst ein treuer Freund.
     

13. Schwindel
    Katinkas Zehenspitzen ragten ein gutes Stück über den Felsen hinaus, auf dem sie stand. Später, als sie die Situation wieder und wieder

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