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Käfersterben

Käfersterben

Titel: Käfersterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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durchlebte, wurde ihr klar, dass sie nicht wirklich bei sich gewesen war. Ihr Verstand war abgeschaltet worden. Sie fühlte, wie sie vor- und zurückpendelte. Sie war ein Wolkenkratzer im Sturm.
    Zuerst hatte sie sich auf den Bauch gelegt und geschrieen. Sie hatte nach Dani gerufen, ihren Namen gebrüllt. Dani regte sich nicht. Sie war tot. Zwei leere Augen starrten in den Nachthimmel. Und sie lag zu weit weg. Katinka konnte sich ihr nicht nähern. Am Anfang wunderte sie sich, dass sie kein Blut sah. Später wurde ihr klar, dass Dani ins Körperinnere verblutet war. Katinka wollte nach ihrem Handy greifen und Hilfe rufen. Ein Teil ihres Gehirns versuchte sich in rationalen Kommandos. Meldete Gefahr, der Mörder könnte noch in der Nähe sein. Plärrte das Wort ›Telefonieren‹ in die Nacht. Ohne Erfolg. In Katinkas Körper liefen nur die absolut lebensnotwendigen Funktionen ab. Die Atmung. Und ihr Gleichgewichtssinn. Noch.
    Sie starrte in der zunehmenden Dunkelheit auf Danis leblosen Körper, schwankte auf den Abgrund zu, bis sie sich fing, und schaukelte wieder zurück. Irgendwann setzte das Denken ein, ruckelnd wie ein störrischer Motor, und erteilte ihr den Befehl, von dem Abgrund zurückzutreten.
    Sie konnte nicht. Ihre Füße wurzelten fest auf dem grauen Stein. Zurück, befahl Katinkas Kopf.
    Sie versuchte es. Zwang ihre Beine zurück. Nichts passierte. Die Tiefe zog sie an. Danis Leiche begann in die Luft zu steigen und wieder abzusinken. Ich halluziniere, sagte sich Katinka. Ganz vernünftig. Ihre Beine jedoch wollten nicht auf den Befehl reagieren. Ihre Knie begannen zu zittern.
    »Dani«, flüsterte sie. Der Abendwind, eben noch sanft und zart, bekam unerwarteten Schwung. Katinka fühlte die Wärme aus ihrem Körper entweichen. Sie holte tief Luft. Atmete ein und aus. Pendelte nach vorn und starrte in die strudelnde Tiefe. Pendelte zurück.
    Hinter ihr Schritte. Zwei Arme umfassten ihren Oberkörper. Sie strömten einen Geruch aus, der Ka-tinka leidlich bekannt vorkam.
    »Sie treten jetzt einen Schritt zurück, Katinka Palfy. Mit mir zusammen. Rechter Fuß zuerst.«
    Katinka zuckte zusammen. Booz.
    »Ich kann nicht«, flüsterte sie, sich schüttelnd vor Abscheu.
    »O doch! Mit mir zusammen. Rechter Fuß.«
    Er hätte sie längst hinunterstoßen können, wenn er gewollt hätte. Aber er hielt sie fest umschlungen. Seine Arme berührten ihre Brüste. Sie schüttelte sich vor Ekel.
    »Drei – zwo – eins – los!«, kommandierte Booz.
    Katinka gab ihrem rechten Bein die Anordnung, sich nach hinten zu bewegen. Es funktionierte. Der Schritt war größer, als sie gedacht hatte. Sie trat Booz auf die Zehen.
    »Jetzt den linken«, sagte er.
    Katinka gehorchte. Im Rückwärtsgang führte Booz sie Schritt für Schritt weg von dem Abgrund. Sein Griff lockerte sich. Katinka entwand sich ihm und ließ sich auf den Felsen sinken.
    »Was tun Sie hier?«, fragte sie.
    »Und Sie?«
    »Ich glaube nicht, dass Sie das was angeht.«
    »Ganz meinerseits«, sagte Booz gekünstelt. »Übrigens: gern geschehen.«
    Sie starrte ihn an, bis sie endlich verstand, was er meinte.
    »Danke.«
    Er nickte und hob die Hände, als wäre alles nichts als ein kleiner Gefallen.
    »Kennen Sie die Frau dort unten?« Booz zog eine Zigarettenschachtel aus der Hemdtasche.
    »Was machen Sie hier?«, fragte Katinka wieder. Ihre Brille saß schief. Als sie sie zurechtschob bemerkte sie, wie heftig ihre Hände zitterten.
    »Muss ich Ihnen darüber Auskunft geben?« Er strich sein Drahthaar nach hinten. »Möchten Sie eine?«
    Katinka griff zu, ohne zu überlegen. Dies war eine Ausnahmesituation. Ein außergesetzlicher Notfall. Booz ließ sein Feuerzeug klicken.
    »Was machen wir jetzt?«
    Seine Frage erstaunte Katinka. Sie sog tief den Rauch ein und beobachtete die Kringel, die sie in die Nachtluft blies. Das Nikotin löste ein beruhigendes Sausen in ihrem Kopf aus. Allmählich stabilisierte sich ihr Denkapparat.
    »Haben Sie die Tat beobachtet?«, fragte sie.
    »Haben Sie sie da hinuntergestürzt?«, echote Booz.
    »Was haben Sie gesehen?«, insistierte Katinka.
    »Waren Sie es?«, parierte er.
    Sie stöhnte. Sie musste die Polizei anrufen, aber zuvor konnte sie ebenso gut ein paar klärende Sätze sagen.
    »Ich bin Privatdetektivin«, sagte Katinka. »Seit einigen Tagen auf der Suche nach der Frau, die dort unten tot auf dem Felsvorsprung liegt.« Eiseskälte breitete sich in ihr aus. Sie fror, aber sie war auch dankbar für die seltsame

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