Kälteeinbruch (German Edition)
zugetan und hin und her überlegt, wie er ihre Beziehung nur gegen die Wand hatte fahren können. Er wusste, warum, am schlimmsten jedoch war die Erkenntnis, dass er es beim nächsten Mal wieder ganz genauso machen würde. Denn Tage wie den heutigen wollte er um nichts in der Welt missen. Obwohl er Elisabeth gern zurückhätte, wusste er, dass ihn die Sucht – der unbedingte Drang zu gewinnen – erneut überkommen würde.
In den letzten vier Wochen hatte sie ihn dreimal angerufen. Hatte sich erkundigt, wie es ihm ging, wie es auf der Arbeit lief, und ob es abends oft spät würde. Letzteres war ihre Art zu erfragen, ob er viel Geld verloren hatte. Beim letzten Anruf hatte Anton vorgeschlagen, dass sie sich einmal zu zweit treffen könnten, nur sie beide. Sie könnten bei einem Kaffee oder einem Abendessen ein wenig plaudern. Einem etwas
besseren
Abendessen, zu dem er sie sogar einladen wollte. Doch sie hatte davon nichts wissen wollen. Deshalb habe sie nicht angerufen, und es tue ihr leid, wenn er sie missverstanden habe. Dann hatte sie aufgelegt.
Auch wenn die richtigen Schlussfolgerungen zu seinen größten Stärken gehörten, in Bezug auf Elisabeth hatte er sich dahingehend noch nie versucht. Bis jetzt, und jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Sie hatte jemanden kennengelernt und würde mit dieser Arschgeige von nun an dauerhaft das Schlafzimmer teilen. Deshalb war sie beim Abendessen so komisch gewesen. Deshalb hatte sie ihn in den darauffolgenden Wochen angerufen. Und deshalb hatte sein Sohn auch nichts gesagt. Seine Mutter hatte ihn gebeten zu schweigen, weil sie es Anton selbst erzählen wollte. Aber dann hatte sie sich nicht getraut, denn sie wusste nicht, wie er es aufnehmen würde. Bis jetzt, wo der Umzugswagen aller Wahrscheinlichkeit nach schon mit laufendem Motor im Hof stand.
«Verstehe», sagte Anton kurz angebunden. Er wartete ein paar Sekunden. Versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. «Wer ist der Kerl?»
Sie seufzte.
«Ich höre?», bohrte er weiter.
«Ich habe jetzt nicht viel Zeit, Anton. Ich wollte nur schnell anrufen und dir Bescheid geben. Dachte irgendwie, dass ich dir das schuldig bin.»
«
Dachte irgendwie, dass ich dir das schuldig bin
… Das ist ja wohl das Understatement des Jahres. Wofür hast du gerade keine Zeit? Mir zu sagen, wie er heißt?»
«Ja.»
Anton grinste. «Ist das dein Ernst? Solange es sich nicht um meinen Bruder oder einen Kollegen handelt, ist es mir scheißegal.»
Er wusste, dass er log.
Sie wusste, dass er log.
«Du willst ihn nur durch sämtliche Datenbanken jagen und gründlich durchchecken.»
«Yes.»
«Jetzt reiß dich zusammen», sagte sie angesäuert.
«Mich zusammenreißen?» Er stand auf. «Ich soll mich zusammenreißen?»
«Na prima», sagte sie sarkastisch. «Jetzt regst du dich doch auf. Genau das wollte ich vermeiden.»
«Findest du das so merkwürdig, dass ich wissen will, bei wem mein Sohn einzieht?»
Sie antwortete nicht.
«Na gut», fuhr er fort. «Ist er bei dir? Willst du es deshalb nicht sagen?»
«Ich will keinen Streit zwischen euch beiden. Das sage ich dir gleich. Das ertrage ich nicht. Unterm Strich werde nämlich nicht ich die Leidtragende sein, sondern Alex.»
«Meinst du, er stellt sich mir vor, wenn ich ihn an den Haaren aus dem Haus ziehe und ihm die Fresse eintrete?»
Es machte Klick.
«Elisabeth? Hallo?»
Sie hatte aufgelegt.
«Scheiße», murmelte er. Dann rief er sie noch einmal an. Er musste es neunmal klingeln lassen, bevor sie abnahm: «Ja …?»
«Entschuldige», setzte er an. «Es tut mir leid. Okay? Kein Grund, sich zu streiten. Aber ich will seinen Namen wissen, und zwar jetzt. Es ist ja wohl kein Geheimnis, du bist diejenige, die die Sache unnötig kompliziert macht.»
Nach einer langen Pause sagte sie: «Aber du verstehst vielleicht, warum ich nicht gerade scharf darauf bin, es dir jetzt zu erzählen, wenn du so sauer bist?»
«Klar. Aber da es nun mal so ist, dass Alex dort wohnen soll, werde ich ihn so oder so gründlich durchchecken. Wöchentlich. Täglich.»
«Herlov Langgaard», sagte sie und atmete hörbar aus.
«Der Investor? Der Typ, der unser Haus taxiert hat?», entfuhr es Anton.
«Mmh.»
«Ich glaub, ich muss kotzen.»
Diesmal war er derjenige, der auflegte. Schlagartig fühlte er sich, als hätte ihn ein Schwergewichtsboxer zusammengeschlagen. Die gute Laune war ihm vergangen, und auch der Appetit.
Kapitel 4
Bernandas steckte sich den Finger ins Ohr. Drehte ihn
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