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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Erik Fjell
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oberen Ecke zeigten 18 :45 . Noch eine Viertelstunde – wenn er den Weg hier draußen überhaupt fand.
    Zwischen den Windböen verfluchte er Doskino, Arturas und diese Eiswüste namens Norwegen. Auch zu Hause in Litauen wurde es mitunter kalt, aber hier konnte man sich vor Kälte ja kaum vorwärtsbewegen.
    Auf dem Parkplatz hatte er nicht verstanden, warum sie ausgerechnet diesen Ort als Treffpunkt gewählt hatten, aber nachdem er etwa zwölf Minuten durch den Schnee gestapft war, in Richtung Meer, das gegen die Felsen schlug, wusste er wieso. Niemand mit redlichen Absichten war so verrückt, sich in dieser Jahreszeit hier draußen aufzuhalten.
    Nach zwanzig Minuten hatte er jegliches Gefühl in Fingern und Zehen verloren. Zwischen ein paar Fichten konnte er das kleine rote Haus erkennen, das man ihm vor seiner Abreise beschrieben hatte. Er ging schneller. Bahnte sich einen Weg durch den Schnee. Schob die Zweige beiseite, damit sie ihm nicht ins Gesicht schlugen.
    Das Schrillen einer altmodischen Türglocke durchschnitt das Heulen des Windes, fast gleichzeitig ertönte die Frauenstimme, die ihm seit seiner Abfahrt in Litauen Gesellschaft geleistet hatte, und teilte ihm mit, er sei am Ziel seiner Reise angelangt. Endlich, dachte er und klopfte an die kleine Scheibe in der Tür. Er wusste, was er sagen würde, wenn der Mann die Tür öffnete:
Was war das bloß für eine Schnapsidee, sich hier draußen ein Haus zu bauen? Du Blödmann.
    Doch niemand öffnete. Auf der Treppe sah er Fußabdrücke, die nicht sehr alt sein konnten. Der Schnee hatte sie noch nicht vollständig bedeckt.
    Keine Reaktion. Er klopfte erneut. Wartete. Sah auf die Uhr. 19 :05 . Fünf Minuten nach der vereinbarten Zeit.
    «Pragaras!», schrie er und trat gegen die Tür.
    Er ging die vier Stufen hinunter. Machte eine Runde ums Haus und schaute in alle Fenster, die in seiner Reichweite lagen. Nirgendwo brannte Licht.
    Auf der Nordwestseite des Hauses, vor den ärgsten Windböen geschützt, blieb er stehen und dachte nach. Was sollte er tun? Er senkte den Kopf und steckte die Hände in die Hosentaschen. So verharrte er einige Minuten, bis er plötzlich zusammenfuhr und fieberhaft seine Jackentaschen abklopfte. In der Innentasche wurde er fündig. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, wenn er es im Auto vergessen hätte. Mit steifgefrorenen Fingern entriegelte er die Tastensperre und öffnete den einzigen eingespeicherten Kontakt: Doskino. Ein paar Sekunden lang herrschte Stille, dann hörte er endlich den Klingelton.
    «Ja?», fragte der alte Russe auf Englisch.
    Keinerlei Überschwang. Keine Freude, dass Bernandas anrief und ihm mitteilte, er sei gut angekommen. Völlige Gleichgültigkeit.
    «Ich bin’s, Bernandas.»
    «Ich weiß. Was willst du?»
    Es knisterte in seinem Ohr. Der Empfang war schlecht.
    «Der Kerl, den ich treffen soll, ist nicht hier.» Bernandas klang vorwurfsvoll. «War doch sieben Uhr, oder?»
    Keine Antwort. Bernandas wiederholte seine Worte noch einmal.
    «Ja. Und du bist sicher, dass du am richtigen Ort bist?»
    «Wenn du die richtigen Koordinaten ins GPS eingegeben hast, bin ich auch am richtigen Ort – ja. Alles ist genau so, wie du gesagt hast. Ein kleines rotes Haus mitten in der Pampa. Und ich steh hier bis zum Hals im Schnee und frier mir die Eier ab.»
    «Bist du ganz sicher, dass du am richtigen Ort bist?»
    «Ich kann ja wohl noch einem GPS folgen.»
    «Sekunde. Ich ruf dich zurück.»
    «Sch–»
    Doskino hatte schon wieder aufgelegt. Bernandas beugte sich vor und nahm das GPS , das er sich zwischen die Knie geklemmt hatte, in die Hand. Auch wenn er sicher war, am richtigen Ort zu sein, wollte er es noch einmal überprüfen. Pfeil und Punkt waren an exakt derselben Stelle. Er hatte sich nicht geirrt. Weder in der Zeit noch im Ort. Der Blödmann war nicht da, und jetzt stand er hier wie ein Trottel in dieser arktischen Kälte und würde sich eine Lungenentzündung holen – wenn nicht gar Schlimmeres.
    Auf einmal kamen ihm die dreitausend Euro, die man ihm für den Job versprochen hatte, doch nicht mehr so viel vor.
    «Verdammte Amateure!», rief er und schlug mit der Faust gegen die Wand.
    Wenige Minuten später klingelte sein Handy. Die Nummer wurde unterdrückt, aber es konnte nur einer sein.
    «Wie sieht’s aus?», Bernandas kam gleich zur Sache.
    «Arturas’ Bruder, dieser Junkie, hat das Treffen vereinbart. Als er Arturas informiert hat, gab’s ein Missverständnis. Der Empfänger kommt um

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