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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Erik Fjell
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sich um. Auf den paar Metern hatte sich seine Gesichtsfarbe verändert. Von rotwangig zu grau.
    «Sie machen eigentlich keinen besonders dementen Eindruck», sagte Torp trocken.
    «Dass Sie sich an Nils Jahr nicht erinnern wollen, ist eine Sache», sagte Anton. «Aber Viggo Holm, ein Lehrer, der fünfundzwanzig Jahre an ihrer Schule unterrichtet hat. Natürlich erinnern Sie sich an ihn. Wir verdächtigen Sie nicht, ihn ermordet zu haben, nur damit das klar ist. Aber wir haben ein paar Fragen, von denen wir wissen, dass Sie die Antwort kennen.»
    «Viggo wurde ermordet?» Eine Falte trat auf seine Stirn.
    Diesmal wusste Oscar Lind tatsächlich nicht, wovon Anton sprach, und Anton konnte ihm ansehen, dass er ihnen nichts vorspielte.
    «Wie ich sehe, besitzen Sie keinen Fernseher, aber Sie lesen doch bestimmt die Zeitung?», fragte Torp.
    «Nur die Lokalzeitung. Gibt ja sonst nur Krieg und Elend. Was ist passiert?» Er sah abwechselnd Anton und dann Torp an.
    «Er wurde am Dienstagvormittag gefunden», erzählte Torp. «Wurde vermutlich am Montagabend getötet.»
    «Kehle durchgeschnitten», fuhr Anton ungerührt fort und machte sich über Keks Nummer zwei her. «Sie erinnern sich also doch an ihn?» Anton blies vorsichtig auf seinen Kaffee, bevor er noch einen Schluck nahm.
    Oscar Lind nickte nachdenklich und bewegte sich zurück zu seinem Sessel.
    «Dann erinnern Sie sich vielleicht auch an Nils Jahr?»
    Erneutes Nicken.
    «Hat Jahr ihn ermordet?», wollte Oscar Lind plötzlich wissen. Er blieb sitzen und starrte die Tischplatte an, während sein Kopf nervös von einer Seite zur anderen schwankte.
    «Wieso glauben Sie das?»
    Oscar Lind legte die Hände auf die Armlehne. «Diese Sache hat mich viele Jahre beschäftigt.»
    «Welche Sache?»
    «Jetzt stellen Sie sich mal nicht dumm, junger Mann. Davon müssen Sie gehört haben, sonst wären Sie doch gar nicht hier.» Sein Tonfall war streng, als wäre Anton ein Schüler, den er zurechtwies. Oscar Lind faltete die Hände und sagte ruhig: «Ich kann Ihnen erzählen, was vorgefallen ist, aber ich werde nicht vor Gericht aussagen, und ich werde bestreiten, jemals etwas gesagt zu haben.»
    «Geht in Ordnung.»
    «Ich wusste, dass mich die Sache eines Tages einholen würde …» Seine Lippen bewegten sich kaum. «Kurz vor den Sommerferien fünfundneunzig kam mir zu Ohren, dass ein paar schwerwiegende Anschuldigungen im Umlauf waren. Viggo Holm war ein guter Freund von mir, das muss ich dazusagen, und ich konnte den Gerüchten fast nicht glauben.»
    «Was für Gerüchten?»
    Oscar Lind sah Anton fassungslos an. «Jetzt tun Sie mir einen Gefallen und schalten Sie Ihr Gehirn ein.»
    «Mir ist klar, worum es geht, ich muss aber wissen, was genau gesagt wurde.»
    Oscar Lind seufzte. Das Sprechen fiel ihm schwer. «Dass Viggo Holm … na ja …», er kratzte sich in den weißen Haaren, die inzwischen so schütter geworden waren, dass sie die braunen Leberflecken nicht mehr verbergen konnten, «mit –»
    «Nils Jahr.»
    «Ja.»
    «Wie schlimm?»
    «Richtig schlimm. Ich meine, die Anschuldigungen waren von der übelsten Sorte. Ich habe Viggo zur Rede gestellt, aber, tja, was soll ich sagen? Natürlich hat er alles abgestritten. Und Nils auch, als ich ihn mir vorgeknöpft habe. Teil der Geschichte ist auch, dass Nils ein Problemkind war. Seinem Vater war er nie begegnet, und seine Mutter starb an einer Mischung aus Alkohol und diversen Tabletten, als Nils neun Jahre alt war. In der Zeit danach kam er von einem Pflegeheim ins nächste. Ich habe damals überlegt, ob er die Gerüchte vielleicht selbst in die Welt gesetzt hat, um Aufmerksamkeit zu bekommen, und dass er es dann bereut hat, als die Sache aus dem Ruder zu laufen begann. Und ja, ich habe mitbekommen, dass er später seinen Weg gemacht hat, und das ist auch gut so.»
    «Und warum hat Holm sich wegbeworben?»
    «Das habe ich eingefädelt. Damals ging das noch etwas unbürokratischer. Der damalige Rektor der Kruseløkka-Schule war ein Bekannter von mir, und ein paar Tage vor den Ferien kam Viggo zu mir und bat mich, ihn bei der Suche nach einer anderen Schule zu unterstützen. Er würde es an der Seiersten nicht länger aushalten, meinte er. Ihm war klar, dass solche Gerüchte nicht einfach verschwinden, nur weil seine Klasse von der Schule abgegangen ist. Obwohl die Gerüchte erstaunlich schnell verstummten, aber das hing natürlich auch mit Viggos Schulwechsel zusammen. Ich riet ihm zu bleiben, es auszusitzen. Aber er war

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