Kälteeinbruch (German Edition)
liebsten auf dem kurzen Dienstweg.»
«Ole …»
«Gib’s doch einfach zu.»
«Schon möglich. Dafür hab ich noch nie einen Zeugen bei einer Vernehmung bewusstlos geschlagen.»
«Freut mich, dass du
bei einer Vernehmung
hinzugefügt hast.»
Anton riss die Augen auf. «Was soll das heißen?»
«Schluss jetzt.» Er rollte den Bürostuhl nach hinten. Schlug die Beine übereinander und stützte das Kinn in die Hand. «Die Geschichte kennen mehr Leute, als du denkst. Mich persönlich juckt das nicht die Bohne, ich will nur sagen, du bist auch nicht gerade ein Heiliger, Anton.»
«Worum geht’s …?», fragte Torp vorsichtig.
Anton konnte sich an den Vorfall, auf den Kval anspielte, bestens erinnern. Es war das Wochenende, als Anton zum allerletzten Mal im Polizeirevier Stadtmitte Dienst hatte, das Wochenende, bevor er bei der Kripo anfing. Ein Mann von Mitte zwanzig hatte kurzerhand beschlossen, seine Lebensgefährtin zu versprügeln, nachdem sie ihn davon abhalten wollte, auf ihren gemeinsamen Sohn von knapp zwei Jahren loszugehen. Auf der Fahrt zum Polizeirevier hatte Anton zusammen mit dem Mann auf der Rückbank der grünen Minna gesessen. Als Anton ihn in die Zelle verfrachtete, hatte der Mann eine gebrochene Nase, drei ausgeschlagene Zähne und zwei gebrochene Finger. Der Mann sei beim Aussteigen unglücklich gestürzt. Das hatte zumindest in dem Bericht gestanden, den Anton nach Schichtende verfasst hatte.
Die Angelegenheit hatte keinerlei Konsequenzen nach sich gezogen.
«Nichts», sagte Anton und wich Kvals Blick aus. «Ich verstehe dich schon, und glaub ja nicht, dass ich anderer Meinung bin, aber einen Mann strafrechtlich zu verfolgen, der jeden Moment tot umfallen kann, während der eigentliche Kinderschänder sowieso tot ist, ist doch Zeitverschwendung. Der alte Kerl würde die Nacht in der Zelle nicht überstehen. Er hat zuerst versucht, sich dumm zu stellen. Das würde er auch im Gerichtssaal tun, nur dass er dort nicht einlenken würde, wie er das Torp und mir gegenüber getan hat.»
«Warum sollte er in einem Gerichtssaal nicht einlenken, wenn er es bei euch nach wenigen Minuten getan hat? Seid ihr jetzt Batman und Robin?»
«Die Sache soll nicht an die Öffentlichkeit dringen», erwiderte Anton ruhig. «Das ist das Wichtigste für den Mann. Es soll nicht rauskommen, dass er davon wusste. Das würde seinen guten Namen in den Schmutz ziehen, denkt er.»
«Das sollte es auch.»
«Ja, schon, auch hier stimme ich dir zu. Aber jetzt hab ich es schon auf diese Weise geregelt.»
«Die Anton-Brekke-Weise», bemerkte Kval spöttisch.
«Ole … Jetzt lass gut sein.»
Kval hob entwaffnend die Hände. «Na gut. Aber ein bisschen Kritik musst du schon aushalten.»
«Tu ich auch.» Anton lächelte versöhnlich. «Aber zurück zu unserem Lieferwagen. Bernandas Mielkos stammt aus Litauen, richtig?»
«Stimmt.»
«Genau wie die Telefonnummern, die wir bei Viggo Holm gefunden haben. Finde heraus, ob sie hier im Land aktiv waren. Wenn ja, haben wir genug, damit die Staatsanwaltschaft einer Überwachung des Mobilverkehrs zustimmt.»
«Das wollt ich gerade machen, als ich euch begegnet bin.»
Anton wandte sich an Torp. «Verstehst du, was ich meine?»
«Jepp.»
«Worum geht’s?», fragte Kval.
«Dass du engagiert bist und selbständig denken kannst.» Anton setzte sich auf den Stuhl. «Ich find es noch immer bekloppt, dass du hier rumsitzt und in die Luft guckst.»
Kval lächelte verlegen. «Ich geb ja offen und ehrlich zu, dass mir das momentan Spaß macht. Ist schon lange her, dass ich mich auf die Arbeit gefreut habe.»
Ohne Vorwarnung riss jemand die Tür auf. Eine Polizistin blickte sie ernst an und sagte: «Ihr werdet im Keller erwartet.»
Sie gingen rasch nach unten. Kamen an der Tür zu den Arrestzellen vorbei und gingen weiter in die Tiefgarage. Ganz hinten war der Caravelle aufgebockt. Alle vier Räder waren abmontiert. Die Türen standen offen. Daneben unterhielten sich zwei Kriminaltechniker in weißen Anzügen. Als das Trio aus dem ersten Stock eintraf, nahmen sie die Mundbinden ab. Auf einem viereckigen Rolltisch aus Stahl lagen ein paar Dinge, die sie im Wagen gefunden hatten. Ein Feuerzeug, die Quittung einer Shell-Tankstelle am Svinesund-Park bei Halden, Servietten – ein paar davon benutzt – und eine leere Süßigkeitentüte.
«Ole», sagte einer der Techniker, «ich denke, ihr solltet euch das hier mal angucken.» Er deutete in das Auto.
Anton kannte die beiden weißen
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