Kälteeinbruch (German Edition)
nicht zugeben, dass sie nicht wusste, wer Alf war.
«Sie sind an dem Fall Viggo Holm dran, oder?»
Anton nickte.
«Fahren Sie deshalb nach Oslo?»
«Ja und nein.» Er lächelte spitzbübisch. «Aber Sie müssen ja ohnehin noch eine Weile hier sitzen. Außerdem müssten Sie sich etwas Ziviles anziehen. Ich zeige mich nicht mit uniformierten Polizisten in der Öffentlichkeit.»
«Wissen Sie was?», sagte sie. «Jetzt weiß ich, was die anderen meinen.»
«Wer?»
Sie lachte auf. «Ach, niemand.»
Er lehnte sich wieder an den Tresen. «Wenn Sie trotzdem mehr über den Mord an Holm erfahren möchten, könnte ich heute Abend unter Umständen ein Stündchen dafür erübrigen. Pikante Geschichte.»
Er wusste, was sie antworten würde, denn er war überzeugt davon, ihre Gedanken lesen zu können. Dass sie nun endlich die Gelegenheit hätte, den einmaligen Anton Brekke ganz für sich allein zu haben. Er wusste, dass man an der PHS über ihn sprach. Dass ihn die Dozenten ständig erwähnten, wenn es um taktische und effektive Ermittlungsstrategien ging. Das hatte man ihm erzählt.
Sie errötete. «Meinen Sie das ernst?»
«Ja. Das Essen im Hotel ist ganz passabel. Oder gehören Sie auch zu denen, die sich nur von Fett und Proteinen ernähren?»
«Ha, ha. Nein, tu ich nicht. Denken Sie, das würde mir guttun?»
«Nur noch Fett und Proteine zu essen oder mich heute Abend um neun im Restaurant vom Quality zu treffen?»
Als Anton den Ford Focus auf die E 6 lenkte, ließ Magnus Torp sich gerade auf Kvals Bürostuhl nieder. Der Stuhl war unbequem. Wo früher einmal die Polsterung gewesen war, hatte Kvals ausladender Hintern den Schaumgummi platt gesessen. Jetzt fühlte es sich an, als säße man auf einem Baumstumpf. An der rechten Armlehne hatte sich das, was vermutlich irgendwann als kleines Loch begonnen hatte, zu einem tiefen Krater ausgeweitet. Schaumgummikügelchen hatten sich in den losen Fäden des Stoffbezugs verfangen. Torp konnte es sich nicht verkneifen, daran zu zupfen. Er bewegte die Beine. Sein Fuß schob unter dem Schreibtisch etwas über den Boden. Er beugte sich hinunter. Antons Dienstausweis. Er hob das Kartenetui auf und zog den weißen Ausweis heraus. Warf einen Blick auf dessen Rückseite. «Anton Brekke». Obwohl das Plastikkärtchen genauso aussah wie sein eigenes, studierte er es eingehend. Dabei malte er sich aus, dass sein Name eines Tages dasselbe Gewicht haben würde wie Antons. Er fragte sich, ob Anton immer schon so gut gewesen war oder ob sich sein Können über die Jahre entwickelt hatte. Torp war sich nicht sicher. Er wusste, dass Anton am Tag seines Einstiegs bei der Kripo Anfang dreißig gewesen war, und nach allem, was er über ihn gehört hatte, schien Anton ein Naturtalent zu sein. Offenbar war dieser Mann der geborene Polizist. Er legte die Karte auf den Tisch und schob sie zu dem Becher mit kaltem Kaffee.
Torp sah auf die Uhr an seinem Handgelenk: 15 :29 Uhr. Er ließ den Unterarm wieder nach unten hängen. Nahm ihn hoch und spannte die Muskeln an. Registrierte, wie sich das Blut in seinen Adern sammelte, die von Tag zu Tag deutlicher hervortraten. Ein paar Kolleginnen hatten ihn bereits darauf angesprochen und gesagt, er sehe langsam richtig gut aus.
Anton war gegangen. Ebenso Kval. Und eigentlich gab es keinen Grund, weshalb er noch hier sitzen sollte. Ihre Arbeit an dem Fall war ins Stocken geraten. Sie mussten jetzt die nächste Klippe überwinden. Der Hyundai war nicht aufgetaucht. Bis auf weiteres wurde nur intern nach ihm gefahndet, doch wenn in den nächsten Stunden nichts passierte, würde Torp Kval gern vorschlagen, über die Medien eine Suchmeldung herauszugeben. Sollte sein Vorschlag Anerkennung finden, könnte er stolz auf sich sein.
Das Telefon auf dem Schreibtisch schrillte.
Torp bemühte sich um eine raue Stimme und sagte: «Polizeimeister Magnus Torp.»
«Hallo», sagte eine Frauenstimme. «Mein Name ist Sissel Dalen von Telenor.»
Torp nahm ein leeres Blatt Papier vom Schreibtisch und griff zum Kugelschreiber.
«Ich glaube, wir haben kürzlich miteinander telefoniert?»
«Korrekt», erwiderte Torp mit autoritärer Stimme. «Hat sich etwas getan?»
«Ja, die von Ihnen genannte Nummer war vor fünfundzwanzig Minuten aktiv.»
«Und dann rufen Sie erst jetzt an?»
Sie erklärte, dass sie bei Telenor nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügten, sämtliche Nummern, die sie für die Behörden überwachten, einzeln im Auge zu behalten, sondern
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