Kälteeinbruch (German Edition)
wie der Griff von Arturas’ linker Pranke um seinen Hals enger wurde. Bernandas spannte jeden einzelnen Muskel in seinem Körper an. Er wusste, dass er stärker war, doch der schmächtige Mann hatte eine enorme Kraft in seinen Händen. Es fühlte sich an, als steckte man in der Umklammerung einer Würgeschlange fest. Arturas’ Fingerspitzen gruben sich in seine Haut, und hätte der Mann Fingernägel gehabt, hätten sich diese schon längst in seine Kehle gebohrt. Sie rangen miteinander. Bernandas schloss die Augen in dem grellen Licht und versuchte, die Kontrolle über den anderen zu gewinnen, bevor ihm der Sauerstoff ausging. Er schaffte es, sich umzudrehen und Arturas unter sich zu bringen, doch dieser lockerte seinen Griff nicht. Im Gegenteil. Als setzte auch er inzwischen alles daran, dem Tod zu entrinnen. Bernandas roch die noch warme Pistolenmündung, die Arturas ihm ins Gesicht drückte.
Dann knallte es erneut.
Kapitel 45
Karl Skarvik hatte in der vergangenen Stunde dreimal versucht, ihn zu erreichen. Weiter als bis zu seiner englischen Mailbox war er nicht gekommen. Bei keinem seiner Anrufe hatte er eine Nachricht hinterlassen.
Karl Skarvik machte sich Sorgen. Bei ihrem letzten Treffen hatte er gesehen, dass Nils nervlich völlig am Ende war. Hätte er ihm am Dienstag die Wahrheit sagen sollen, oder wäre dadurch alles nur komplizierter geworden?
Karl Skarvik setzte sich auf die dunkelgrüne Tagesdecke, die fein säuberlich über das Bett gebreitet dalag. Er war erschöpft. Stützte die Ellbogen auf die Oberschenkel. Blickte eine Weile auf den Boden zwischen seinen Füßen, bevor er sich nach hinten sinken ließ. Die Arme hatte er zur Seite ausgestreckt. Er starrte die Deckenlampe an. Als er die Augen schloss, tanzten grün-gelbe Nachbilder auf seiner Netzhaut. Die letzten Tage waren weitaus härter gewesen, als er erwartet hatte. Er verspürte keine Erleichterung. Ganz im Gegenteil: Alles war nur noch schlimmer geworden.
Die Schlafzimmertür ging auf. Seine Frau kam herein, stellte sich ans Fußende und blickte auf ihn herunter.
«Hängst du wieder durch, Karl?» Sie legte den Kopf schief. «Möchtest du nicht eine Kleinigkeit essen?»
«Ich komme.»
Beim Hinausgehen schloss sie hinter sich die Tür. Der Duft von gebratenem Hähnchen und Pommes frites stieg ihm in die Nase. Er setzte sich wieder auf. Blieb noch eine Minute sitzen und ging dann in die Küche. Seine Frau und die zwei halbwüchsigen Töchter hatten bereits mit dem Essen begonnen. Eins der Mädchen war mehr damit beschäftigt, in einer Teeniezeitschrift zu lesen, anstatt zu essen. Die andere schrieb SMS , während ihre Gabel in regelmäßigen Bewegungen zwischen Mund und Teller pendelte.
«Fährst du mich in einer Stunde zum Training, Papa?» Sie nahm den Blick nicht von ihrem Handy. «Heidi müssen wir auch noch abholen.» Gabel in den Mund. «Ihre Mutter ist letzte Woche gefahren», schmatzte sie.
Karl Skarvik sank vorsichtig auf den Stuhl. Zog die rechteckige, weiße Schüssel zu sich heran. Stach mit der Gabel in das Hähnchenfilet, das seine Frau besonders lange in der Pfanne gelassen hatte. Er bevorzugte sein Essen gut durchgebraten. Legte das Filet auf seinen Teller und nahm sich Pommes frites.
«Papa?» Die Tochter mit dem Handy hatte die Augen nun auf ihn gerichtet.
«Na klar. Mach ich.» Er blickte seine beiden Töchter an. Beide fröhlich. Unbekümmert. Sie hatten die ganze Zukunft noch vor sich. Er schloss die Augen. Sah das unglückliche Gesicht vor sich.
Auf den ersten Blick hätten die meisten Menschen ihn um das Leben beneidet, das er führte, hätten, ohne zu zögern, ihr eigenes dagegen eingetauscht. Doch sie wussten es nicht besser. Sie hatten keine Ahnung, welche dunklen Seiten sich hinter der Fassade des Erfolgs verbargen.
Karl Skarvik aß nur die Hälfte auf, den Rest warf er in den Müll und informierte seine Tochter darüber, dass er sich hinlegen würde, bis sie losmussten.
Das Bett. Die Lampe. Grüne und gelbe Punkte, die ihm abermals sein Gesicht zeigten. Die Nachbilder von damals und von allem, was seit März passiert war, waren die Ursache für seinen jetzigen Zustand.
Er hätte damals eine andere Entscheidung treffen sollen, an jenem Montag im März.
Kapitel 46
Als er den Knall hörte, war alles vorbei, im selben Bruchteil einer Sekunde: Der Körper wehrte sich nicht mehr. Der Widerstand unter ihm gab nach. Er merkte, wie der Griff um seinen Hals sich lockerte. Spürte das warme Blut im
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