Kälteeinbruch (German Edition)
melden würde, sobald er Zeit habe, und dass er schlimmstenfalls bis nächstes Jahr warten müsse. Sein Vater wusste, dass Anton sich nicht besonders viel aus Weihnachtsgeschenken machte. Aus Geschenken im Allgemeinen nicht.
Das Restaurant war halb voll. Die meisten Tische waren mit Männern in Anzügen besetzt, er nahm an, dass sie Vertreter waren und an der Konferenz teilgenommen hatten, die, wie er wusste, hier im Haus stattfand. Beim Einchecken hatte er ein großes Plakat an der Rezeption gesehen. Er sah sich um. Ein junger Mann in weißem Hemd und schwarzer Weste kam auf ihn zu und erkundigte sich, ob Anton allein sei.
«Ich hoffe nicht», erwiderte dieser. «Bin hier eigentlich mit einer Dame verabredet.»
«Aha? Haben Sie einen Tisch reserviert?»
«Vielleicht hat sie das gemacht.» Anton ließ erneut seinen Blick über das Lokal schweifen.
«Wie war ihr Name?»
«Äh … Sie ist blond und in Ihrem Alter, würde ich sagen.»
Der Kellner lächelte. «Alles klar. Ist sie das, dort in der Mitte? Hinter dem Quartett in Schlips und Kragen?»
Anton kniff die Augen zusammen. Sah zwischen den vier Männern am Tisch hindurch, die munter das Essen in sich hineinschaufelten. Seine Augen fanden ein ärmelloses, schwarzes Kleid. Die blonden Haare waren nun nicht mehr zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.
«Danke», sagte Anton. «Kommen Sie in ein paar Minuten vorbei, um unsere Bestellung aufzunehmen?»
Der Kellner nickte.
«Da sind Sie ja», sagte sie, als Anton Platz nahm. «Ich hatte schon befürchtet, Sie würden mich versetzen.»
Er legte die Schlüsselkarte samt Handy auf den Tisch und entschuldigte sich. Sein Ausflug nach Oslo habe mehr Zeit in Anspruch genommen als geplant, und er wäre ja mit Blaulicht hergefahren, wenn sie ihm nicht ein Auto zugeteilt hätte, dem die entsprechende Einsatzausrüstung fehlte.
Sie grinste. «Ja, ich wusste, dass das ein Fehler war.» Sie musterte ihn eingehend. «Gut sehen Sie aus!» Sie nickte ihm zu. «Sie sollten öfter Oberhemden tragen.»
«Das hat meine Exfrau auch gesagt. Was habt ihr Frauen bloß immer mit Männern im Oberhemd?»
«Ich für meinen Teil bevorzuge Männer in Uniform, aber Ihren Worten im Revier zufolge ist die Wahrscheinlichkeit wohl größer, Sie im Anzug zu Gesicht zu bekommen.»
«Hätte ich das geahnt, hätte ich mir die Galauniform eines Freundes ausgeliehen, der ist Offizier.»
Sie grinste wieder.
«Wie alt sind Sie eigentlich?», fuhr er fort und begann, die Speisekarte zu studieren.
«Achtundzwanzig.»
Er blickte auf. «Achtundzwanzig?»
«Ja …?»
«Ich hätte schwören können, dass Sie erst Anfang zwanzig sind.»
«Sollte mich das beruhigen oder eher nachdenklich stimmen?» Sie verengte die Augen zu Schlitzen und sah ihn gespielt skeptisch an.
Zur Erwiderung zuckte Anton gleichgültig mit den Schultern. Nun begann sie, Fragen zu stellen. Die Fragestunde mit Torp in Slitu war nichts dagegen. Zu Antons Überraschung stand jedoch nicht sein Job im Zentrum ihres Interesses. Sondern er selbst. Kinder? Verheiratet gewesen? Hobbys? Der Kellner kam und nahm ihre Bestellung entgegen. Heilbutt mit Spargel, Sauce hollandaise und Kartoffelpüree für sie beide. Routiniert präsentierte der Kellner die Weinkarte und empfahl einen Pouilly Fumé.
Anton wartete einen Moment, ob sie einen besseren Vorschlag hätte, dann nickte er zustimmend.
Der Wein kam vor dem Essen auf den Tisch. Der Kellner schenkte ihnen ein. Anton nahm einen kleinen Schluck. Er konnte sich nicht volllaufen lassen. Er musste am nächsten Tag um halb sieben im Revier sein. Sie hingegen schien gänzlich andere Pläne zu haben. Sie kippte das ganze Glas in zwei Anläufen hinunter.
«Niemand nimmt uns die Flasche weg.»
«Das musste sein», erwiderte sie errötend. «Sonst gehen mir bald die Fragen aus.»
Das konnte Anton sich kaum vorstellen. Als das Essen serviert wurde, war er bereits völlig ausgelaugt. Sie fragte ihn weiter aus, schwenkte nun jedoch zu seinem Job. In wie vielen Mordfällen er schon ermittelt habe – das wusste er nicht mehr. Ob er jemals zu weit gegangen sei – noch nie, behauptete er. Aus welchem Grund er Polizist geworden sei – zu schlechte Noten fürs Medizinstudium. Was ihm bei seiner Arbeit am meisten Spaß mache – wenn die Fassade eines Verdächtigen bei der Vernehmung nach unzähligen Lügen langsam aber sicher zu bröckeln begann. Dann war das Geständnis nicht mehr fern. Und privat – Zeit mit seinem Sohn zu
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