Kälteeinbruch (German Edition)
verbringen.
Während er sich die letzte Gabel mit lauwarmem Kartoffelpüree zwischen die Zähne schob, überlegte er, warum er sich das antat. Die reinste Tortur. Aber das ließ sich nun mal nicht vermeiden, wenn man jemanden kennenlernen wollte. Jemanden wie sie zum Beispiel, die ihm gegenübersaß. In den zwei Minuten, die er sich mit ihr in der Bereitschaftszentrale unterhalten hatte, war sie ihm ganz interessant vorgekommen. Mitten beim Essen war sie dazu übergegangen, über sich selbst zu sprechen – und bis jetzt hatte sie noch keine Pause eingelegt, außer um Fisch und Wein nachzunehmen. Sie wäre eine größere Hilfe gewesen, wenn sie mit ihm in den Gregers Grams Vei gefahren wäre. Anton griff nach seinem Weinglas und setzte zu Schluck Nummer vier an. Warf einen raschen Blick auf ihr Glas. Leer.
Genau wie die Flasche.
Er sah zu ihr hoch. Mit jedem Schluck waren ihre blauen Augen glasiger geworden. Die schmalen Lippen bewegten sich, aber er bekam kaum mit, wovon sie sprach. Zumindest dann nicht, wenn er sich selbst dabei ertappte, wie er ihr in den Ausschnitt stierte. Ihm war nur klar, dass es allerhöchste Zeit war, den Kellner herbeizuwinken, um eine neue Flasche Wein zu bestellen, damit endlich etwas Fahrt in die Angelegenheit käme.
Kapitel 51
Er konnte sie durch die Fenster des Restaurants beobachten. Der Mordermittler der Kripo sah im Minutentakt auf die Uhr. Als bereute er es, nicht auf seinem Zimmer geblieben zu sein. Trotzdem würde sich der Abend aller Voraussicht nach für ihn bezahlt machen.
Heute Abend standen nicht ganz so viele Autos hinter dem Hotel. Er selbst hatte dieses Mal auf der gegenüberliegenden Seite geparkt, hatte sich zwischen die anderen Autos gequetscht. Langsam entfernte er sich von den Fenstern. Hielt sich dicht an der Wand. Der Ermittler schenkte der Rückseite des Hotels nun sicherlich mehr Aufmerksamkeit als bisher. Er legte die Hand auf die Klinke der Küchentür. Zog sie zu sich heran. Er konnte das Zischen der Fritteuse hören, als die gefrorenen Kartoffelstifte in das heiße Pflanzenfett sanken. Er trat ein. Blieb stehen. Lauschte. Zwei Stimmen unterhielten sich lauthals in einer Sprache, die er für Urdu hielt. Vorsichtig schob er einen Servierwagen mit Tellern beiseite. Schlüpfte daran vorbei.
Am anderen Ende der Küche führte eine Treppe in den zweiten Stock, in dem die Tagungsräume des Hotels lagen. Er war zum ersten Mal hier, und wäre die Rezeption nicht mit Überwachungskameras ausgestattet, hätte er den Haupteingang genommen. Dann wüsste er jetzt, wo er sich befand.
Er folgte dem dunklen Korridor. Öffnete die Tür zu einem Abstellraum, der bis unter die Decke mit Handtüchern, Shampoofläschchen und Bademänteln vollgestapelt war. Er machte die Tür wieder zu. An einer T-Kreuzung teilte sich der Korridor. Er bog nach links. Sofern sein Orientierungssinn ihn nicht im Stich ließ, war dies der Weg zum Hotelzimmer des Starermittlers.
Auf halber Strecke hörte er, wie hinter ihm eine Tür zuschlug. Blitzschnell drehte er sich um. Sah zwei weiße Arme unter einer schwarzen Weste. Er drückte sich wieder an die Wand. Hielt den Atem an. Wenn er jetzt entdeckt würde, wäre alles gelaufen. Die Weste bewegte sich auf ihn zu. Blieb auf der T-Kreuzung stehen, machte eine halbe Umdrehung und kehrte auf demselben Weg in die Dunkelheit zurück.
Er beschleunigte seine Schritte. Seine Füße flogen über den Boden. Wie eine zu groß geratene Ballerina huschte er auf Zehenspitzen über den grässlichen Teppichboden, mit dem der schmale Korridor ausgelegt war. An dessen Ende befand sich eine Tür, sie war nur angelehnt.
Die Tür gab keinen Laut von sich, als er sie zu sich heranzog. Er schlüpfte hindurch. Dann brachte er die Tür wieder in ihre ursprüngliche Position. Der Gang war schmal und stockfinster. Dies musste der Durchgang zu dem Korridor mit den Hotelzimmern sein. Mit ausgestrecktem Arm bewegte er sich behutsam vorwärts. Die Hand stieß auf hartes Holz. Wieder eine Tür. Er tastete nach der Klinke und drückte sie vorsichtig herunter.
Sie war nicht verschlossen.
Anton Brekke war im letzten Zimmer des Korridors untergebracht. Es war Viertel nach zehn. Sein Date würde sicherlich noch eine Weile dauern. Er griff in die Tasche seines Anoraks. Nahm eine Sturmhaube heraus und streifte sie über. Zog die Kapuze seines Parkas über den Kopf und zurrte sie um den Hals herum fest.
Kapitel 52
Ein Mann im Anzug lächelte Anton an, als sein Handy die
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