Kälteeinbruch (German Edition)
Autos. Er kannte nur eins davon. Anton lenkte seinen schmutzigen und so gut wie schrottreifen Volvo die Auffahrt hinauf. Parkte quer hinter den untersten Autos. Schnappte das rechteckige Päckchen vom Beifahrersitz und stieg aus. Mit neidischen Blicken auf das majestätische Haus ging er durch den überdachten Gang und klopfte mit dem Löwenkopf an die Tür. Kurz darauf wurde sie von einer rundlichen Frau von fünfundsechzig Jahren geöffnet.
«Anton …», stieß sie überrascht aus. «Du kommst auch?»
Seine ehemalige Schwiegermutter lächelte ihn an, als befänden sie sich zu Hause in Smestad.
«Nein, ich wollte nur das hier für Alex abgeben.» Er hielt das Geschenk hoch.
«Ach so.» Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Legte ihm die Arme um den Hals und drückte ihn. «Schön, dich zu sehen. Geht es dir gut?»
«Na ja …» Er senkte den Kopf und zuckte mit den Schultern. Verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Dann sah er sie verschmitzt an und schenkte ihr das, was sie schon bei ihrer allerersten Begegnung für ihn eingenommen hatte. Sein Lächeln. Sein Zahnpastalächeln. «War nur Spaß. Mir geht es prima.»
Sie kicherte. «Gut. Wir denken nämlich oft an dich, weißt du. Wird ungewohnt sein heute Abend, so ohne dich.»
«Papa!» Die Stimme kam vom anderen Ende des langgestreckten Entrees.
Alexander rannte auf ihn zu. Seine Kappe war einer Handvoll Haarwachs gewichen, und statt Jogginghose und T-Shirt trug er einen schwarzen Anzug, aus dem er fast schon herausgewachsen schien. «Hab Mama gefragt, ob du Weihnachten mit uns feierst, aber sie hat nein gesagt.»
«Und Mama hat so gut wie immer recht, das weißt du ja.»
Alexander schnitt eine Grimasse. Streckte die Zunge heraus und warf den Kopf hin und her. «Bäh! Ist das ätzend!»
Seine Schwiegermutter wünschte Anton fröhliche Weihnachten und zog sich zurück.
«Hier», sagte Anton und reichte Alexander die Schachtel. «Pack’s gleich aus, damit ich die Enttäuschung in deinem Gesicht sehen kann.»
«Schlimmer als letztes Jahr kann’s kaum werden», konterte der Junge und grinste frech.
«Weißt du überhaupt noch, was du letztes Jahr bekommen hast?»
«Nö, nicht so richtig.»
«War das nicht das Snowboard, das du dir so
übelst
gewünscht hattest?»
«Hm, stimmt.»
«Hast du das schon geschrottet?»
«Nee, nicht direkt.»
«Diesmal hab ich was gekauft, was du nicht nur ein paar Mal im Jahr benutzen kannst.» Anton ging in die Hocke und sagte leise: «Außerdem hab ich dir ein iPhone bestellt, aber das ist bis heute nicht in der Post gewesen.»
«Echt?» Alex strahlte. «Ein iPhone? Krass! Herlov hat auch eins, aber er hat’s schon geschafft, das Display zu demolieren.»
Hat ja genug Geld für ein neues, dachte Anton.
Sein Sohn sah auf die Schachtel in seinen Händen. Wog sie auf der Hand. Löste vorsichtig die Klebestreifen. Herlov näherte sich langsam von hinten, als wägte er ab, ob es ihm zustand, die beiden zu stören. Anton sah auf und begrüßte ihn mit einem Nicken.
«Dann frohe Weihnachten, Anton». Er hielt ein Cognacglas in der Hand.
«Ja», antwortete Anton, während er abwechselnd zu ihm und zu dem Geschenk sah, das gerade ausgepackt wurde. «Danke, gleichfalls.»
«Sie wissen, dass Sie den Abend sehr gern hier verbringen dürfen?»
Anton lächelte schief. «Sie wissen vermutlich besser als ich, dass dem nicht so ist.»
«Tz», winkte Herlov ab. «Das wäre ja noch schöner. Das wird sie schon aushalten.»
Anton schüttelte den Kopf. «Definitiv nicht.»
«Wir genehmigen uns jetzt erst mal einen Cognac, dann kriegen Sie ein Gästezimmer und bleiben bis morgen. Ich rede mal mit Elisabeth. Das klappt schon.»
Mann, dachte Anton, wenn du mir doch bloß einen einzigen Grund liefern würdest, dich nicht zu mögen.
«Vielen Dank, aber ich hänge an meinem Leben.»
«Voll geil!», rief Alexander. «Ein MacBook Air!» Er strahlte seinen Vater an. «Danke!»
«Ui», bemerkte Herlov, «alle Achtung.»
Alexander stellte die Schachtel vorsichtig hin und schlang seinem Vater die Arme um den Hals. «Vielen Dank, Papa. Genau so eins hab ich mir gewünscht. Ich hätte ja nie gedacht, dass ich wirklich eins bekomme, deswegen hab ich erst gar nichts davon gesagt.»
«Anton», sagte Herlov mit ernster Miene, «Sie verbringen den Abend aber nicht allein, oder?»
«Bin bei einem alten Kollegen eingeladen.» Er sah auf die Uhr. «In Sarpsborg, ich muss langsam mal zusehen, dass ich nach Hause komme und mich
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