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Kälteeinbruch (German Edition)

Kälteeinbruch (German Edition)

Titel: Kälteeinbruch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan-Erik Fjell
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beim diesjährigen Pökelfleischabend in Bryn, wo er sich im Anschluss gefühlt hatte, als müsste man ihm den Magen auspumpen. Unni Kval schenkte nun schon die dritte Runde Aquavit aus, seit sie sich zu Tisch begeben hatten. Ihre Laune wurde zusehends besser. Sie lachte inzwischen laut und unkontrolliert. Kvals Neffen saßen am anderen Ende des Tischs. Die vierjährigen Zwillinge hielten sich bemerkenswert ruhig neben ihren Eltern.
    Anton ächzte. «Ich fürchte, ich muss mich mal auf dem Sofa langmachen.» Er schob den Stuhl zurück.
    «Nur zu, Anton», erwiderte Unni mit erhobenem Glas. «Du hast ja auch tüchtig zugelangt.»
    Kval schien ihn zum Sofa begleiten zu wollen. Er stand auf und fragte, ob Anton noch ein Pils wolle.
    «Bring ruhig noch eins mit.»
    Er streifte sich die Schuhe ab und streckte sich der Länge nach auf dem Sofa aus. Kval ließ sich auf der anderen Seite des Couchtischs auf dem Sessel nieder. Keiner sagte etwas. Sie ließen ihrem Verdauungsapparat freien Lauf. Die beiden Vierjährigen setzten sich mitten im Zimmer auf den Boden und spielten zusammen. Ihre Eltern und Unni begannen, das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Als sie damit fertig waren, trugen sie direkt die nächste Ladung Essen auf: Kaffee und Kuchen, Pralinen, Chips und Limonade.
    «Wenn ich allein wär», begann Anton, «würde ich jetzt den Hosenknopf aufmachen.» Er setzte sich auf. Schlüpfte wieder in seine Festtagsschuhe.
    «Greift zu», rief Unni mit dem Aquavitglas in der Hand. «Soll ich dir was bringen, Anton? Ein Stück Kuchen vielleicht?»
    Anton wehrte mit der Hand ab. «Nein, danke. Ich muss wirklich ein Päuschen einlegen.»
    Die Mutter der Zwillinge schlug vor, dass sie vielleicht lieber erst die Geschenke auspacken sollten, bevor sie sich über den Kuchen hermachten. Unni pflichtete ihr bei und trieb sie alle in die andere Ecke des Wohnzimmers, wo sie sich um den Weihnachtsbaum zusammenfanden. Dieser bot einen kümmerlichen Anblick. Es war offensichtlich, dass Ole auf den letzten Drücker losgezogen war und einen Baum ergattert hatte, den sonst niemand hatte haben wollen. Nun stand er inmitten eines Geschenkebergs. Aus der Größe der Päckchen und Pakete schloss Anton, dass sie überwiegend für die Zwillinge bestimmt sein mussten.
    «Wie hübsch ihr den Weihnachtsbaum geschmückt habt», bemerkte Anton voller Überzeugung und nickte in Richtung Baum.
    «Ja, ist er nicht schön?» Unni nahm neben dem Baum Aufstellung. «Den hier», sie deutete auf ein Styroporei, das einen Tannenzapfen darstellen sollte, «hat Martin in der dritten Klasse gebastelt.»
    Martin. Ihr Sohn.
    Unni Kval berührte den Zapfen mit einem Finger. «Schon merkwürdig, alles andere ist im Laufe der Jahre irgendwie unansehnlich geworden oder kaputtgegangen. Nur der hier hat sich in den letzten sechzehn Jahren gut gehalten.» Sie betrachtete weiterhin den Baum. «Ui, der hier auch. Weißt du noch, wie Martin den gebastelt hat, Ole?» Sie deutete auf eine leere Klopapierrolle, die einen Wichtel darstellte.
    Ole schüttelte den Kopf. Er blickte nicht einmal auf. Saß einfach da und starrte auf seine Knie.
    Anton erhob sich. Räusperte sich, um der düsteren Stimmung Einhalt zu gebieten, die sich über den Ulstens Vei Nummer  15 zu legen begann. Er bückte sich und hob das Geschenk auf, das er bei seiner Ankunft unter dem Weihnachtsbaum deponiert hatte. Reichte es Ole.
    «Hier», sagte Anton. «Um dieses Geschenk zu dieser Jahreszeit aufzutreiben, musste ich halb Oslo abklappern. Hat mich eine Vierteltankfüllung gekostet, und Diesel ist dieser Tage teuer.»
    Die Schwägerin und ihr Mann mussten über Antons Bemerkung lachen.
    Ole Kval sah auf. «Das wär doch nicht nötig gewesen, Anton.»
    «Weiß ich doch, und um ehrlich zu sein, wollte ich auch überhaupt nichts kaufen. Aber dann ist mir diese Idee gekommen.»
    Unni hatte sich neben ihrem Mann niedergelassen und sah voller Neugier zu, wie seine Wurstfinger das rote Geschenkpapier auspackten. Das Papier verdeckte das Geschenk. Niemand konnte sehen, was es war. Kval lehnte sich zur Seite, blickte Anton an und verdrehte die Augen.
    «Auf so eine Idee kannst wirklich nur du kommen, Anton». Er lachte heiter.
    «Jetzt lass doch mal sehen!», rief Unnis Bruder.
    Kval hielt die Hände in die Luft. In der einen baumelte eine braune Shorts. In der anderen ein braunes T-Shirt.
    «Jetzt hast du eine Sommermontur», kommentierte Anton.
    Unnis Gelächter übertönte das der anderen.

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