Kälteeinbruch (German Edition)
zurücknehmen ist mir auch zu riskant. Das Ganze wär fast schon in die Hose gegangen, als ich nach Schweden reinwollte.»
«Hm. Hab’s gehört.»
«Vielleicht sollte ich sie einfach vor einer Polizeiwache absetzen.»
«Ganz tolle Idee, Bernandas. Mir ist es echt ein völliges Rätsel, warum von euch beiden nur Viktorija studiert hat.»
Bernandas wurde still. Woher wusste Doskino von seiner Schwester? Überprüfte er routinemäßig die Familien derer, die für ihn arbeiteten? Dann könnte er es verstehen, trotzdem gefiel ihm der Klang ihres Namens in seiner Stimme nicht.
«Schaff sie dir vom Hals», fuhr Doskino fort, «bis d–»
«Auf keinen Fall!», schrie Bernandas. «Ich bringe doch keine Kinder um. Und zu deiner Information für künftige Jobs: Ich fahre auch keine Kinder mehr. Nur Trockenware, falls ich überhaupt weitere Jobs übernehme. Klar?»
Doskino seufzte. «Hätte ich das gewusst, dann –»
«Dann was?», fauchte Bernandas. Er war selbst über den Ton überrascht, den er sich jetzt herausnahm.
«Nein, vergiss es. Ich hör mich noch mal um. Melde mich wieder.»
Kapitel 9 Bukarest, Rumänien
Sobald Doskino das Handy auf den Tisch gelegt hatte, sah der Mann gegenüber auf. Die Augen dunkel und tiefliegend. Die Geheimratsecken zogen sich an den Schläfen weit nach oben. Sein Kopf saß auf einem kräftigen Nacken. Der Trapezmuskel setzte direkt unter den Ohren an und verlief in einem leichten Bogen zum Deltamuskel. Auf der linken Wange hatte er ein großes Muttermal, das wie ein Kopf mit Strohhut aussah – er war der einzige Mexikaner auf dem gesamten Balkan. Hätten seine Eltern geahnt, wie schrecklich er als Erwachsener aussehen würde, hätten sie ihn wohl nicht Ivan getauft. Doskino machte eine Faust und kniff die Augen zusammen. Die Kieferknochen traten unter den mageren Wangen deutlich hervor.
Ivan griff nach dem Becher, der vor ihm auf dem Tisch stand. Schlürfte seinen Kaffee. Mit dem Becher in der Hand fragte er: «Probleme?»
«Kein Abnehmer für die Jungs.»
«Und abknallen will er sie auch nicht?»
Doskino schüttelte langsam den Kopf. «Den müssen wir an die Kandare nehmen.»
«Sag Arturas, er soll sich darum kümmern», antwortete Ivan gleichgültig und schlürfte wieder an seinem Kaffee. «Ich hab dir ja gesagt, dass mir dieser Bernandas ein bisschen … na ja, vielleicht nicht gerade dumm vorkam, aber …»
Doskino zuckte mit den Schultern. «Immerhin hat er dickere Eier als du. Hat mit mir geredet, als wär ich irgendwer. Und genau darum lässt sich schwer sagen, auf welche Ideen der noch so kommt.»
«Dann ruf Arturas an. Der kriegt das schon hin.» Ivan machte eine wegwerfende Handbewegung. Offenbar war ihm der Ernst der Lage nicht bewusst, falls Bernandas Mielkos die Nerven verlor. Mielkos hatte nicht nur Ivan getroffen, sondern auch mit Doskino selbst gesprochen.
«Zu riskant.» Doskino sprach leise. «Wenn wir ihn jetzt über die Grenze schicken, um das Problem zu lösen, bringt das nur noch mehr Ärger. Schade eigentlich. Mir hat Bernandas gefallen.» Doskino legte den Kopf in den Nacken und sah zur Decke. Durch die Wand drang Musik, die er nicht identifizieren konnte. Sein Büro lag Wand an Wand mit dem Stripschuppen, den er betrieb. Ihm fiel plötzlich ein Problemlöser ein, mit dem er selbst noch nie zu tun gehabt hatte, über den jedoch sagenhafte Geschichten kursierten. Ein Mann, der den Gerüchten zufolge jedes Problem in den Griff bekam.
«Du», fragte Doskino, «erinnerst du dich an den Kerl, von dem Visaly gesprochen hat, als wir das letzte Mal in Moskau waren?»
«Petrus oder so.»
«Genau.»
«Willst du den beauftragen?»
«Wär ’ne Idee. Wenn er mitmacht. Der wohnt ja in Norwegen. Bin mir nicht sicher, ob er solche Jobs annimmt, aber einen Versuch ist es wert. Auf diese Weise gäbe es keine Verbindung zu Arturas, und wenn es keine Verbindung zu Arturas gibt, gibt es auch keine zu uns.»
«War der nicht ziemlich teuer?»
«Na ja, es könnte noch teurer werden, wenn wir nichts unternehmen.»
Kapitel 10
Ein weißer Range Rover rauschte durch die Mautstation an der alten Svinesundbrücke in Richtung Oslo. Um den Wagen den steilen Hang hinaufzujagen, brauchte der Fahrer das Gaspedal kaum zu berühren. Unter der Motorhaube wummerten 510 Pferdestärken. Hinter den rußgeschwärzten Scheiben saß Peter Jäckel, «der Leutnant», mit seinem Chauffeur und Sicherheitschef Adam Miller. Keiner der beiden sagte etwas. Der Leutnant hielt die Augen
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