Kälteeinbruch (German Edition)
geschlossen, seiner flachen Atmung konnte Adam jedoch entnehmen, dass er nicht schlief. Nach ihrer Rückkehr aus Moskau waren sie vom Flughafen in Stockholm direkt hierhergefahren. Normalerweise nahm der Leutnant keine Aufträge im Ausland an, aber die Bezahlung war wesentlich besser gewesen als üblich, und der Job war für einige seiner wichtigsten Kontakte von großer Bedeutung gewesen. Eigentlich hätte er an einem, maximal zwei Tagen erledigt sein sollen, doch dann hatte er sich über eine ganze Woche hingezogen. Zwei mächtige russische Verbrechersyndikate waren miteinander in Konflikt geraten, und ein objektiver Dritter sollte als Schlichter hinzugezogen werden. Der Job hatte ihn viel Energie gekostet, und auf dem Heimflug hatte er Adam versichert, dass er zum letzten Mal so weit gereist war, egal wie gut die Bezahlung sein mochte. Jetzt freute er sich auf zu Hause, seinen Schreibtisch und Merys Essen. Mery – seine Assistentin – war zum ersten Mal mehrere Tage allein auf dem Hof gewesen. Er hatte sie schon am ersten Abend vermisst. Dass sie auf dem großen Anwesen allein war, bereitete ihm keine Sorgen. Bewegungsmelder überwachten jeden Quadratzentimeter.
Das Handy auf dem Armaturenbrett blinkte. Für zwei Sekunden erschien die Meldung
Unbekannter Teilnehmer
auf dem Display, dann wurde die Nummer des Anrufers angezeigt. Ein nützlicher Luxus, den Adam ein leitender Ingenieur der Telefongesellschaft Telenor ermöglichte. Damit der Ingenieur seinem Kundenprofil dieselben Sonderrechte einräumte wie den Notfallzentralen, hatte er freilich zwanzigtausend Kronen auf den Tisch blättern müssen.
Die Ländervorwahl lautete 40 .
«Ländervorwahl vierzig», sagte Adam und warf dem Leutnant einen kurzen Blick zu.
«Das Land der Kloakenkinder», erwiderte der Leutnant, ohne die Augen zu öffnen. «Rumänien.»
Adam schaltete sein Bluetooth-Headset ein und nahm den Anruf entgegen: «Miller.»
«Is this line secure?», fragte eine Stimme in gebrochenem Englisch.
«No. This is?»
«A friend of a friend.»
«I understand. We will call you back from a secure line in about twenty minutes.»
Adam schaltete das Headset aus.
«Wir sind noch keine halbe Minute auf norwegischem Boden», sagte der Leutnant und sah in den Spiegel, «und schon hast du uns noch mehr Arbeit aufgebrummt? Adam …» Der Leutnant seufzte. «Um ehrlich zu sein, ist mein Bedarf an Osteuropäern für dieses Jahr gedeckt. Und fürs nächste vermutlich auch.»
«Bald ist Weihnachten», erwiderte Adam und warf seinem Chef und Freund ein vielsagendes Lächeln zu. «Du weißt, dass ich mich in dieser Jahreszeit immer langweile.»
Als sie auf der E 6 zur Abzweigung nach Skjeberg kamen, zog Adam das Lenkrad herum und fuhr von der Autobahn ab. Sie fuhren einige Kilometer, bevor sie nach links auf einen sandigen Weg einbogen, der zu dem Bauernhof führte. Adam aktivierte vom Auto aus den Toröffner. Das Tor glitt automatisch zur Seite.
Aus dem Hundezwinger des Boerboel schallten drei laute Kläffer über den Hof, dann wurde es still.
Mery lächelte und winkte ihnen vom Küchenfenster aus zu. Der Leutnant öffnete die Autotür einen Spalt. Atmete tief durch die Nase ein. «Mmh. Riechst du das, Adam? Ich glaube, sie hat heute was Besonderes gekocht. Was für eine wunderbare Frau, findest du nicht? Fast wünschte ich mir, ich hätte einen erwachsenen Sohn, der sie heiraten könnte. Dann könnte ich damit angeben, dass sie zur Familie gehört.»
Adam nickte und sprang aus dem Wagen. Er holte den Rollstuhl aus dem Kofferraum und stellte ihn neben die Beifahrertür, dann packte er den Leutnant unter den Knien und Schultern und hob ihn in den Stuhl.
Seine Freundschaft mit dem 1 , 98 Meter großen Adam reichte über dreißig Jahre zurück. Sie waren einander begegnet, als die Zeit der berühmt-berüchtigten Selous Scouts in Rhodesien zu Ende ging und der Leutnant flüchten musste, nachdem Robert Mugabe an die Macht gekommen war und das Land von da an Simbabwe hieß. Um den Kampf gegen die Kommunisten fortzusetzen, reiste er nach Südafrika und trat in die Dienste der South African Defence Forces ein, der SADF , wo Adam Miller damals diente. Genau wie der Leutnant erwies sich auch Adam früh als guter Soldat. In beruflicher Hinsicht hätten sie sich keinen besseren Partner wünschen können: Beide waren erfahrene Tötungsmaschinen, die jeden Auftrag mit weitaus größerer Gründlichkeit und Präzision ausführten, als es von ihnen erwartet wurde. In
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