Kälteeinbruch (German Edition)
war sauer, «das geht nicht. Wer soll dann heute seinen Job machen? Und morgen, und vor allem in den Wochen bis zum Sommer?»
«Nicht mein Problem und deins hoffentlich auch nicht. Torp kommt mit uns. Keine Diskussion.»
Ole Kval brauchte nicht zu antworten, seine Augen sprachen Bände.
Er drehte sich um und ging. Anton zeigte Torp den Daumen, doch der wusste noch nicht, ob er sich freuen konnte, durfte oder sollte. «Wird schon. Ich bin dein Freund in der Not. Aber dass du zum General geboren bist und so … das war Bullshit. Also nicht, dass du uns gleich abhebst.»
«Und dass du mich mit nach Bryn nimmst?», fragte Torp hoffnungsvoll.
«Du hast dich doch wohl nicht an den beschlagnahmten Drogen in der Asservatenkammer bedient?»
Magnus Torp sah Antons Rücken den Korridor entlang verschwinden.
Er war sprachlos. Die Chance, noch einmal mit Anton Brekke zusammenzuarbeiten, war gering gewesen. Auf lange Sicht vielleicht denkbar, aber nicht so schnell. Zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren. Er würde in seinem zweiten Mordfall ermitteln und das in Zusammenarbeit mit der Kripo! Er war außer sich vor Begeisterung. Trotz der ernsten Umstände war die Freude groß, mit von der Partie zu sein. Er hatte Glück gehabt, dass er gleich nach der Polizeihochschule einen Job gefunden hatte. Über die Hälfte seiner Studienkollegen waren noch auf der Suche. Anders als die meisten seiner Mitstudenten wollte er eigentlich nicht zur Schutzpolizei. Dass so viele dorthin wollten, war nicht sehr verwunderlich, denn dort war am meisten Action angesagt. Häusliche Gewalt, Störungen der öffentlichen Ordnung, kleinere Drogendelikte, rasante Verfolgungsjagden und andere aufregende Einsätze, die einem bei der Kripo entgingen. Bei der Schutzpolizei war jeder Tag anders. Man wusste nie, was einen erwartete, wenn man zu einem Einsatz ausrückte. Für viele seiner Studienkollegen war genau das der Grund, warum sie zur Polizei wollten – die Spannung. Torp fand, dass sein Bedarf an Spannung bereits während seines Praxisjahres abgedeckt worden war, und die gemeinsamen Tage mit Anton Brekke in Fredrikstad ließen seinen Entschluss feststehen: Er wollte Ermittler werden. Mordermittler. Am liebsten bei der Kriminalpolizei in Oslo, die auch landesweit regelmäßig bei schwerwiegenden Verbrechen hinzugezogen wurde. Wenn es nach ihm ginge, würde er Anton Brekke dort im gemeinsamen Büro am Schreibtisch gegenübersitzen.
Die wenigen Stellen, die Anfang Juni in den diversen norwegischen Polizeidirektionen ausgeschrieben wurden, waren äußerst begehrt gewesen, und als er erfuhr, dass die Schutzpolizei in Sarpsborg eine Stelle zu besetzen hatte, rief er Anton an. Dann würde er eben zuerst als Streifenpolizist arbeiten, hatte er gedacht, von dort könnte er sich zur Kripo bewerben, sobald eine Stelle frei würde.
Das war am Tag vor dem Anstoß zur Fußballweltmeisterschaft in Südafrika gewesen, und Anton hatte ungewöhnlich gute Laune gehabt. Er fragte Torp sogar, ob er sich für Fußball interessiere, und ob er schon einen Tipp habe, wer aus den einzelnen Gruppen in der Vorrunde weiterkommen würde. Torp hatte nicht geahnt, dass Anton sich derart für Sport interessierte, begriff jedoch sofort, dass die Gelegenheit günstig war, ihn um ein Empfehlungsschreiben zu bitten. Das sei doch selbstverständlich, war Antons Antwort, und Torp solle ihn am darauffolgenden Tag noch einmal anrufen. Was er auch tat, doch da war es um die Laune des Hauptkommissars deutlich schlechter bestellt. Im Hintergrund vermischte sich das Tröten der afrikanischen Vuvuzelas mit dem Scheppern diverser Gegenstände, die an die Wand geworfen wurden. Offensichtlich interessierte sich der Mann brennend für Sport, möglicherweise etwas mehr, als ihm guttat. Zaghaft schlug Torp vor, tags darauf wieder anzurufen, was im Hinblick auf seine Karriere sein bislang cleverster Schachzug war: Aufgrund eines der größten Torwartfehler der gesamten WM landete Slowenien am nächsten Tag in den letzten Spielminuten gegen Algerien einen Treffer, und Anton schrie triumphierend: «Ich hab gewusst, dass der reingeht! Das wird vielleicht nicht Carlos Tévez’ oder Cristiano Ronaldos WM , aber du kannst deinen Arsch darauf verwetten, dass es Anton Brekkes wird!» Er wollte nicht nur ein Empfehlungsschreiben schicken, er wollte den Dezernatsleiter sogar persönlich kontaktieren – einen Mann, mit dem er noch nie gesprochen hatte – und ihm Magnus Torp, mit dem er im Jahr zuvor
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