Kälteeinbruch (German Edition)
niemand aufgemacht. Dann habe ich die Türklinke gedrückt, die Tür war offen. Das hätte ich natürlich nie getan, wenn ich nicht gewusst hätte, dass er zu Hause sein musste. Aber ich konnte ja sehen, dass er noch nicht mit dem Auto aus der Garage gefahren war, weil auf dem Vorplatz im Schnee keine Spuren zu erkennen waren.»
Anton machte weiter Notizen, während Marion Finess in ihrer Erklärung fortfuhr: «Aber gerade bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich geklopft habe, oder ob ich gleich die Türklinke gedrückt habe.» Sie verstummte. Blickte nachdenklich auf die Schreibtischplatte. «Doch, ich muss geklopft haben.»
«Frau Finess.» Er sah sie an. «Ganz ruhig. Setzen Sie sich nicht unter Druck.»
Sie griff in die Jackentasche und holte einen Labello heraus, mit dem sie sich schnell über die Lippen fuhr, bevor sie ihn wieder in der Tasche verschwinden ließ. «Und als ich die Tür geöffnet habe, da war es irgendwie … ich weiß auch nicht, aber es herrschte so eine unheimliche Stille, falls Sie wissen, was ich meine? Ich habe gerufen, aber keine Antwort bekommen. Dann bin ich in den Flur und durch die offene Tür in sein Büro.» Sie richtete den Blick wieder auf die Wand oder das Fenster. «Und da saß er. Mir war sofort klar, dass er tot war, trotzdem habe ich seinen Puls gefühlt. Ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe, ich wusste ja, dass er tot ist. Dann bin ich wieder nach draußen gelaufen.»
«Mmh. Und dann?»
«Dann habe ich die Polizei gerufen.»
«Hat es lange gedauert, bis die Kollegen vor Ort waren?»
«Mir kam es lange vor.»
«Und Sie sind dort unten geblieben, bis die Polizei eintraf?»
«Nein, ich bin nach oben gegangen und habe draußen auf dem Vorplatz gewartet. Als die Polizisten kamen, haben sie mich befragt, aber ich kann mich nicht mehr genau erinnern, was sie wissen wollten.»
Anton lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. «Und Sie sind Krankenschwester?»
«Ich arbeite eigentlich in der häuslichen Pflege, so habe ich auch Viggo kennengelernt. Als seine Frau noch lebte.» Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen, als hätte sie auf diese Frage gewartet.
«Mein Kollege, Ole Kval, mit dem Sie kurz gesprochen haben, hat mir erzählt, dass sie für seine Frau eine Art private Pflegerin waren. Stimmt das?»
«Ja, das stimmt. Eigentlich wurde sie vom ambulanten Pflegedienst versorgt, aber als sich ihr Zustand verschlechterte, sie sozusagen im Endstadium war, fragte Viggo mich, ob ich mir vorstellen könnte, mich noch über die häusliche Pflege hinaus um sie zu kümmern. Dabei ging es vor allem darum, dass seine Frau Gesellschaft brauchte, wenn er länger außer Haus war. Wenn er zum Beispiel zu einem Abschlussfest in der Schule musste. Solche Sachen.»
«Waren Sie Montagabend auch dort?»
«Ja.»
«Wieso? Womit war er da beschäftigt?»
«Ich bin nachmittags zum Putzen gekommen. Er hat aufgeschlossen, dann musste er auswärts etwas erledigen, was den ganzen Abend in Anspruch nahm.»
«Verstehe. Wann kam er zurück?» Anton machte sich inzwischen keine Notizen mehr, und ihm fiel auf, wie sich die Frau entspannte, seit er die Arme hinter dem Kopf verschränkt hatte.
«Mm, wie spät wird das gewesen sein …» Sie runzelte die Stirn und kniff die Augen zusammen. «Viertel nach zehn?»
«Mich dürfen Sie da nicht fragen», gluckste Anton.
Sie errötete leicht. «Nein … Viertel nach zehn. Um diese Zeit wollte er wieder zu Hause sein, und er ist immer pünktlich. Immer.»
«Woran ist seine Frau gestorben?», wollte Anton wissen und machte dabei einen besonders interessierten Eindruck.
«Sie hatte vor zwei Jahren einen schweren Schlaganfall.»
«Wann ist sie gestorben?»
«Letztes Jahr, etwa um diese Zeit.» Marion Finess kratzte sich am Handrücken. «Ihr ging es sehr schlecht, aber Viggo wollte sie nicht in ein Pflegeheim geben. Er wollte sie lieber zu Hause behalten, auch wenn das für ihn eine Menge Zusatzarbeit bedeutete und eine Menge Zusatzkosten. Der ambulante Pflegedienst ist ja nur ein Posten, es kommen noch jede Menge anderer Ausgaben hinzu.»
«Wie Sie, zum Beispiel.»
«Ja …», erwiderte sie ein wenig beschämt.
«Kann ich gut verstehen. Niemand von uns arbeitet gern für einen Apfel und ein Ei. Darf ich fragen, was es kostet, wenn man Ihre Dienste in Anspruch nimmt?»
Marion Finess hatte die Augen geschlossen. Sie antwortete nicht. Anton schloss daraus, dass sie sich verplappert hatte. Jetzt
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