Kälteeinbruch (German Edition)
Sie konnten kaum älter als zwanzig sein. Anscheinend Studentinnen. Hübsch. Lange, schwarze Haare. Schneeweiße, schmale Gesichter. Beide trugen eine Ledertasche über der Schulter. Die eine sah auf, als sie an ihm vorbeigingen. Begegnete seinem Blick. Rasch sah sie weg. Wie angewidert von seinem Anblick. Ivan blieb vor dem Fenster einer Konditorei stehen. Spiegelte sich darin. Der Mexikaner in seinem Gesicht sah jetzt entzündet aus. Dunkel. Fast lila. Er dachte an das Mädchen mit der Tasche. So schön, und bestimmt auch sehr klug. Was würde er dafür geben, wenn er so ein hübsches Mädchen haben könnte, das nicht unter Drogen stand. Das bei der Sache war. Das sich während des Aktes lebendig zeigte. Wahrscheinlich hätte er sein Leben gegeben. Denn bislang hatte er noch nie eine Frau geliebt.
Er hatte gefickt.
Ivan wich vor seinem eigenen Spiegelbild zurück. Ging in die Konditorei und kaufte sich zwei Brötchen, die er auf dem Weg zur Universiteto gatvė aß.
Kapitel 29
Magnus Torp blickte auf die Uhr in seinem Handy. Dann auf die digitale Plastikuhr an seinem Handgelenk, bevor er seinen Protest zur Spitze trieb, sich zum Lenkrad vorbeugte und auf die Uhr am Armaturenbrett sah. Er seufzte. «Wie lange wollen wir hier noch rumstehen?»
Seit sie vor über einer Stunde aus der Wohnung gekommen waren, hatte sich der Passat in Aker Brygge nicht vom Fleck bewegt. Ein Mann in Anzug und Mantel hastete mit einem Aktenkoffer über den frischgeräumten Gehweg zum Bryggetorget. Vier Parkplätze weiter stand eine Frau und kratzte Eis von der Windschutzscheibe.
«Hallo?», bohrte Torp weiter und sah Anton an, der dasaß und aus dem Seitenfenster starrte.
«Ja?» Anton erwiderte seinen Blick.
«Worauf warten wir?» Torp machte ein unzufriedenes Gesicht.
«Darauf», antwortete Anton und hielt mit der rechten Hand sein Handy hoch.
«Aber der Anruf ist ja wohl kaum für mich?» Er warf den Oberkörper demonstrativ gegen die Rückenlehne.
«Gut beobachtet, Einstein. Der ist für mich. Ich würde außerdem gern noch ein paar Worte mit der Blondine da oben wechseln.»
«Warum gehen wir dann nicht einfach hoch und holen sie herunter? Kval wundert sich bestimmt schon, was wir treiben. Wir könnten jede Menge anderer Dinge erledigen, statt dumm rumzusitzen und die Zeit zu vertrödeln.»
Torp lamentierte weiter. Er hatte Hunger und Durst, und obwohl die Heizung auf vollen Touren lief und für konstante siebenundzwanzig Grad im Wagen sorgte, war er zunehmend davon überzeugt, dass er fror.
Das Handy klingelte in Antons Hand. Das Display zeigte:
Askheim – Drogenfahndung
. Er wandte sich an den jungen Polizisten und fragte: «Kannst du jetzt mal für zehn Sekunden die Klappe halten?»
Torp zog erneut einen Flunsch und nickte.
«Danke, Askheim», begrüßte Anton den Chef der Abteilung für Drogendelikte aus dem Polizeirevier Stadtmitte.
«Wofür?»
Im Hintergrund war Lärm zu hören. Laute Stimmen und Echo. Unzufriedene Rufe. Dumpfes Stimmengewirr, das von den Befehlsrufen von Antons ehemaligen Kollegen übertönt wurde.
«Dass du dir die Mühe machst, mich zurückzurufen.»
«Ach so. Sorry, es hat ein wenig gedauert. Wie du hörst, herrscht hier Chaos. Wir haben in den Straßen aufgeräumt. Gleich wollen wir noch mal los.»
«Was Großes?»
«Nein, Peanuts. Macht sich aber gut in der Statistik.»
«Interesse an einem richtig großen Fisch?»
Askheim antwortete nicht. Der Lärm verschwand, als wäre im Hintergrund lediglich ein Fernseher gelaufen, der nun auf stumm geschaltet worden war. Offensichtlich hatte er sich von den Arrestzellen entfernt.
«Aber immer doch. Um wen oder was geht’s?»
«Das muss unter uns bleiben: zwischen dir, mir und dem Bürschchen, das hier neben mir sitzt. Okay?»
Askheim brummte skeptisch, bevor er sagte: «Ja, okay. Aber …»
«Nix da», fiel Anton ihm sofort ins Wort. «Kein
aber
. Denn wenn das hier was ist, dann ist es groß.»
«In Ordnung. Hab meine Informationen aus einer
nicht namentlich genannten Quelle
… Und wo ist der Haken? Die Sache hat doch bestimmt einen Haken.»
«Was ist denn das für eine Unterstellung?», gluckste Anton und wandte sich an Torp: «Findest du nicht auch, dass das eine ganz schöne Unterstellung ist?»
Torp klopfte auf seine Plastikuhr. Anton verdrehte die Augen und wandte sich wieder ab.
«Was heißt hier Haken … So würde ich es nicht nennen. Nils Jahr, kommt dir der Name bekannt vor?»
«Ja, aber nicht im Zusammenhang mit meinem
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