Kälteeinbruch (German Edition)
ihr einen Verkaufsrekord hinlegen:
Lebemann
.» Er hob die Hände und demonstrierte damit die Größe der Überschrift – gigantisch. Er nickte den beiden Mädchen zu, die zurückkamen und sich dort postierten, wo vorhin die Fotoausrüstung gestanden hatte. «Wisst ihr, was das ist?» Nils strahlte stolz. «Ein
Lebemann
? Denkt nach, bevor ihr antwortet.» Er ließ den beiden Journalisten kaum mehr als eine Sekunde, bevor er fortfuhr: «Das ist ein Mann, der ein kostspieliges, raffiniertes und ausschweifendes Leben führt. Ein Playboy. Ein …
Lebemann
. Lasst euch die Überschrift mal auf der Zunge zergehen, na?»
«Nils», sagte Sverre tonlos und legte zwischen den Knien die Fingerspitzen gegeneinander.
«Schon gut, ich werd mich in Sachen Titel und so raushalten.» Er grinste. «Bring it on! Ich bin bereit für ein paar Fragen, die sich gewaschen haben. Das wird die
MANN
-Ausgabe des Jahres. Vielleicht die beste aller Zeiten. Ihr wisst ja … viele sind neugierig, wie ich es so weit gebracht habe. Stimmt’s? Ich komme ja aus dem
Proletariat
.» Dem letzten Wort verlieh er besonderen Nachdruck. «Meine Mutter war mit mir allein …, na ja, bis sie sich das Leben genommen hat, da war ich gerade mal neun … Und meinem Vater bin ich nie …» Für einen Moment blickte er nachdenklich in den Raum, dann fügte er rasch hinzu: «Tja, es ist ja kein Geheimnis, dass meine Kindheit nicht nur rosig war. Und in der Schule war ich auch nicht besonders gut. Trotzdem geht es mir … nicht gut, sondern verdammt gut. Ich betrachte mich selbst als Autodi–»
«Nils …», sagte Sverre noch einmal, diesmal etwas ruhiger.
«Ja, sorry. Jetzt gehen schon wieder die Pferde mit mir durch. Wie gesagt, das Zeug ist spitze.» Er zeigte auf den Tisch.
«Wir kommen nicht von
MANN
.»
Anton Brekke sah Nils Jahr gelassen an.
Der starrte zurück. Lächelte verlegen und fragte: «Ach, nicht?»
Anton konnte es ihm ansehen. Er brauchte seinen Ausweis nicht zu zeigen. Nils Jahrs Gesicht nahm denselben Ausdruck an wie bei allen anderen auch. Ob sie beim Einwerfen einer Fensterscheibe erwischt wurden oder wegen Mordes verhaftet werden sollten. Ob Teenie, den die Polizei nach einem nächtlichen Ausflug in die Stadt nach Hause brachte, oder Berufskrimineller, der aufgrund seiner Einbrüche und Raubüberfälle in den Genuss einer kostenlosen Vollpension kam. Alle bekamen sie denselben hilflosen Gesichtsausdruck. Für einen kurzen Augenblick schien das Leben für sie stehenzubleiben. Durch die Anwesenheit des Polizisten, der sie auf frischer Tat ertappt hatte. Danach kam nichts mehr.
Nils betrachtete das Pulver auf dem Tisch. Danach Torp. Dann Anton. Als zöge er in Erwägung, mit der kleinen Tüte auf die Terrasse zu laufen, sie in Stücke zu reißen und das Kokain, das seiner Aussage nach so rein wie Schnee war, die sieben Etagen hinunterrieseln und am Boden mit dem echten Schnee verschmelzen zu lassen.
«Wir sind nicht deshalb hier», sagte Anton. «Wir kommen nicht von der Drogenfahndung.»
«Nein …?»
Er schien jetzt überhaupt nicht mehr Herr der Situation zu sein. Als hätte sich ein Schleier zwischen ihn und die Wirklichkeit geschoben.
«Nein. Es wird keine Anzeige geben. Obwohl hier schon von einer ordentlichen Menge die Rede ist. Aber Ihnen ist klar, was das bedeutet?»
«Ich glaub schon – ja.»
«Sie hätten es nicht zu all dem hier gebracht», Anton ließ seinen Blick durch das große Wohnzimmer schweifen, «wenn Sie nicht in der Lage wären, einen derart einfachen Sachverhalt zu begreifen. Ich versuch’s noch mal: Ihnen ist klar, was das bedeutet?»
«Ja. Ich werde keine Schwierigkeiten machen.»
Anton lächelte. «Bestens. Dann sind wir uns einig.» Er warf einen selbstsicheren Blick über den Tisch. Nils sagte nichts. Saß reglos da und starrte vor sich hin. Fragte nicht, weshalb sie gekommen waren.
Schien es zu wissen.
Anton beauftragte Torp, das Pulver ins Klo zu spülen, und erläuterte dem Mann, der keine Schwierigkeiten machen wollte, dass er damit seinen guten Willen unter Beweis stellen wollte. Dass sein Wort zählte. Dass dies keine Konsequenzen haben würde. Torp legte den Beutel auf den Spiegel und verschwand. Die Mädchen deuteten – mit Unschuldsmiene – auf das Bad.
«Viggo Holm», sagte Anton.
Als Anton den Namen aussprach, schien der Kokainrausch mit einem Schlag verflogen. Die großen Pupillen füllten plötzlich die ganze Iris, bevor sie auf eine immer noch enorme Größe
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