Kälteeinbruch (German Edition)
Minibar auf kleinen Waagen gelegen. Nahm man etwas herunter, wurde es automatisch an das Computersystem in der Rezeption gemeldet und der Betrag dem Gast sofort auf die Rechnung gesetzt. Am letzten Abend, bevor er wieder zurück nach Oslo fuhr, hatte Anton herausgefunden, dass die Rezeption keine elektronische Meldung erhielt, wenn er die Schokolade aus der Minibar nahm und gleichzeitig etwas anderes auf die Waage legte. Der Snack war dann sozusagen gratis. Antons Ansicht nach handelte es sich hier um eine Grauzone, denn dass jemand mehr als dreißig Kronen für einen Schokoriegel nahm, grenzte an legalen Raub.
Im Quality Sarpsborg gab es dieses System nicht. Dort kontrollierten aller Wahrscheinlichkeit nach die Zimmermädchen die Bestände der Minibar, wenn sie die Zimmer sauber machten. Außerdem würden sie ihn beim Auschecken an der Rezeption fragen.
Er machte die Tür der Minibar wieder zu. Legte sich auf das gemachte Bett.
Seit Torp ihn abgesetzt hatte, waren mehr als zwei Stunden vergangen. Seitdem hatte er abwechselnd auf dem Bett gelegen und an die Decke gestarrt oder am Fenster gestanden und den Front- und Heckscheinwerfern der vorbeirasenden Autos nachgeschaut, während das Lied von dem Mann, der nicht für ein Leben in Liebe gemacht war, auf Repeat lief. Anton nahm sein Handy in die Hand. Schrieb eine SMS an Elisabeth, in der er fragte, wie es ihnen beiden gehe und ob sie sicher sei, dass es das war, was sie wollte. Er klickte sich zu ihrer Nummer durch und wollte gerade auf
Senden
drücken, als er es sich noch einmal anders überlegte. Löschte den Text und schrieb stattdessen:
Wie geht’s Alex? Fühlt er sich wohl?
Die Antwort kam, noch bevor eine halbe Minute um war:
Alex geht es richtig gut. Er hat sich schon mit dem Nachbarjungen angefreundet. Rufe dich nächste Woche mal an.
Rufe dich nächste Woche mal an.
Merkwürdig, dass sie sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, zu antworten.
Anton stand wieder auf. Warf sich die Lederjacke über und öffnete die Tür. Zwei Meter weiter links befand sich der Notausgang. Ein Schild zeigte an, dass die Treppe hinter der Tür hinunter zum Parkplatz führte. Er blieb stehen und überlegte, ob er sie nehmen sollte oder nicht. An einem anderen Tag definitiv – um ein paar Meter einzusparen. Heute jedoch nicht. Er bog nach rechts ab. Hier war es still. Er folgte dem Korridor, bis dieser sich verzweigte. Von oben sah das Hotel aus wie ein großes X, in dessen Zentrum sich die Treppen und der Fahrstuhl befanden.
An der Rezeption nickte ihm der Nachtportier, der aussah, als sei er gerade erst achtzehn geworden, höflich zu. Anton nickte ebenfalls und verließ das Hotel. Auf der anderen Seite der Hauptstraße sah er das Esso-Schild in die Luft ragen. Er schlenderte hinüber, kaufte sich eine Tüte Chips mit Salz und Pfeffer, zwei Halbliterflaschen Cola sowie ein süßes Teilchen, an dem er schon beim Bezahlen zu knabbern begann, und das er vertilgt hatte, als er die Tankstelle verließ.
Anton war das Auto bereits von seinem Fenster aus aufgefallen, und er hatte angenommen, dass es einem der Angestellten gehörte.
Als er den Hotelparkplatz überquerte, konnte er sehen, dass darin jemand saß. Das Auto war weiß und etwas größer als ein normaler PKW , aber auch kein Kombi und kein SUV . Die Automarke konnte er von hier nicht erkennen. Während er über den Platz spazierte, behielt er es im Blick. Sah, dass die Person darin sich nicht bewegte.
Er ging hoch in sein Zimmer. Knipste das Licht an. Räumte die Colaflaschen in die Minibar und legte die Chipstüte aufs Bett. Stellte sich ans Fenster. Schaute hinaus. Langsam bewegte er die Augäpfel nach rechts unten. Es war noch da. Er kniff die Augen zusammen. Wer saß bei zehn Grad minus freiwillig mehr als zwei Stunden in einem Auto bei abgestelltem Motor?
Anton schaltete das Licht aus, verließ das Zimmer und ging zur Rezeption.
«Sagen Sie», sprach Anton den Nachtportier an, «haben Sie hinter dem Hotel Überwachungskameras?»
«Nein», antwortete dieser. «Warum?»
«Nur so», erwiderte Anton und ging zum Ausgang.
Blieb an der Ecke stehen. Atmete zweimal tief durch, dann rannte er los.
Scheiße, dachte Anton, während die Beine unter ihm ihr Bestes gaben, vielleicht hätte er sich lieber langsam an das Auto heranschleichen sollen. Dann hätte ihn der Fahrer nicht so leicht entdeckt. Anton sah ein, dass er ihn nicht erwischen würde. Das Auto verschwand in einer Schneewolke. Die beiden roten Rücklichter
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