Kälteeinbruch (German Edition)
wurden immer blasser. Das Kennzeichen war nicht zu erkennen. Tagsüber vielleicht, jetzt nicht. Er beugte sich vor und stützte sich mit den Händen auf den Oberschenkeln ab. Atmete schwer. Nach Neujahr war Schluss, dann würde er wieder regelmäßig den Fitnessraum in Bryn aufsuchen.
Zurück im Hotelzimmer blieb er eine Weile im Dunkeln stehen, um zu sehen, ob das Auto zurückkehrte. Auch wenn er nicht daran glaubte. Es war auch nicht gesagt, dass es seinetwegen dort gestanden hatte. Vielleicht hatte sich irgend so ein Perversling in das süße, schwedische Mädel an der Rezeption verguckt und hoffte nun darauf, dass sie heute Dienst hatte. Auch Anton war sie heute Morgen aufgefallen.
Er ging ins Bett. Sah auf dem Handy nach, ob weitere Nachrichten von Elisabeth eingegangen waren. Fehlanzeige. Er warf das Handy ans Fußende des Bettes. Öffnete die Chipstüte, nahm zwei Chips heraus und legte sie auf die Zunge. Schnappte sich den Laptop vom Nachttisch und platzierte ihn auf dem Brustkorb. Beäugte das PokerStars-Icon auf dem Desktop. Wenn er nur ein Minimum an Willensstärke aufgebracht und es geschafft hätte, ihrer mindestens sechshundert Mal vorgebrachten Bitte, die Spielerei an den Nagel zu hängen, zu entsprechen, würde sie jetzt zu Hause in ihrem gemeinsamen Bett liegen. Nicht in dem Schloss im Gregers Grams Vei. Sondern in Smestad. In dem roten Haus mit Garten, das für eine dreiköpfige Familie genau die richtige Größe hatte. Sie würde ihm eine Gute-Nacht- SMS schicken und hinzufügen, sie hoffte, sein Fall würde sich nicht ewig in die Länge ziehen.
Aber er hatte es nicht geschafft.
Der Laptop vermeldete eine neue Mail. Sie stammte von Kval und enthielt einen Anhang mit der Adresse des Mannes, der zu Nils’ Schulzeit Rektor an der Seiersten-Schule gewesen war. Die Mail lautete:
Hei. Viggo Holm hat im Herbst 1970 an der Seiersten-Schule angefangen. Davor war er ein paar Monate lang Vertretungslehrer an einer Grundschule in Moss gewesen.
Heirat 1968 . Holm und seine Frau haben sich in Trosvik neben dem früheren Fredrikstader Stadion ein Haus gekauft, wo sie bis Juni 1995 gewohnt haben, als Holm in Seiersten aufhörte und an der Schule in Kruseløkka anfing. Er sucht sich nicht nur einen neuen Job in der Nachbarstadt, er zieht sogar um! Meiner Meinung nach ist das ein ganz schön radikaler Schnitt, nach 25 Jahren am selben Arbeitsplatz. Lehrer sind Gewohnheitstiere, das gilt zumindest für die, die ich in Erinnerung habe. Wir sollten uns deshalb in Zukunft weiter auf Nils Jahr konzentrieren. Wir können ihm noch einmal einen Besuch abstatten, diesmal komme ich mit.
Tut mir leid, dass ich dir die Infos erst jetzt schicke, aber Unni ging es heute nicht so gut. Wenn du Diskussionsbedarf hast oder einfach nur reden willst, ruf mich an. Nach ein paar Vival schläft sie wie ein Stein. Und ich schlage jetzt über die Stränge und gönne mir meinen wohlverdienten Schnaps – das solltest du im Übrigen auch tun.
Ole
Anton starrte den Bildschirm skeptisch an. Anrufen, um zu reden? Meinte er über Elisabeth? Seine eigene Frau? Sich selbst? Anton hätte ihn gern angerufen, allein schon, um herauszufinden, worauf er damit anspielte. Aber er war sich darüber im Klaren, dass es durchaus spät werden konnte, wenn er Kval erst einmal an der Strippe hatte. Kval war schon in nüchternem Zustand ein Gefühlsmensch. Wie sich Alkohol auf seinen Gemütszustand auswirkte, wollte Anton sich lieber gar nicht erst ausmalen. Im Moment hatte er mit sich selbst genug zu tun. Er las die Mail noch einmal durch, sparte sich aber den letzten Abschnitt und rief Google auf, um zum sechsten oder siebten Mal in dieser Woche nach Herlov Langgaard zu suchen. Der erste Treffer auf der Seite war der deprimierendste von allen – die öffentliche Steuerliste mit Angaben des zu versteuernden Einkommens. Er klickte weiter zur Bildersuche. Der ganze Bildschirm füllte sich mit kleineren Fotos des aufgeblasenen Schnösels. Er trug auf sämtlichen Bildern einen Anzug. Auf manchen hatte er ein Handy am Ohr. Auf anderen lächelte er direkt in die Kamera. Was für ein einfältiges Grinsen, dachte Anton.
Er klickte sich durch die größten Internetzeitungen, um sich über die neuesten Nachrichten zu informieren. Las auf die Schnelle einen Artikel, in dem er selbst abgelichtet war. Klickte weiter zur nächsten Zeitung. Überflog die Titelseite, bevor er noch einmal die Vernehmungen von Nils Jahr und seine Verurteilung wegen
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