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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Meinung nach vollkommen abwegig. Dieses Kapitel in seinem Leben war längst abgeschlossen, egal, was Eva Lind glaubte oder erhoffte. Er und Halldóra hatten sich nichts mehr zu sagen. Diese Frau war seit Langem eine Fremde für ihn.
    Ihm fiel die Kassette ein. Er ging zum Rekorder und schaltete ihn ein. Er spulte ein wenig zurück, um sich die letzten Sätze in Erinnerung zu rufen. Er hörte, wie die Stimme des Mediums eine dunkle und beinahe schroffe Klangfarbe erhielt, in fast knurrendem Ton sagte: »Du weißt nicht, was du tust!« Gleich darauf änderte sie sich wieder, und das Medium sprach davon, dass ihm kalt sei.
    »Da war aber noch eine andere Stimme …«
    »Eine andere Stimme?«
    »Ja, nicht deine.«
    »Und was hat sie gesagt?«
    »Ich soll auf der Hut sein.«
    »Ich weiß nicht, was das war«, sagte das Medium. »Ich kann mich an nichts erinnern.«
    »Sie erinnerte mich an …«
    »Ja?«
    »Sie erinnerte mich an meinen Vater.«
    »Die Kälte … Die kommt nicht von dort. Diese Eiseskälte, die ich verspüre. Sie hat mit dir direkt zu tun, und sie hat etwas Gefährliches, etwas, vor dem du dich in Acht nehmen musst.«
    Schweigen.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte das Medium.
    »Was meinst du damit, mich in Acht nehmen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass diese Kälte nichts Gutes bedeutet.«
    »Kannst du auch Kontakt zu meiner Mutter herstellen?«
    »Ich stelle keine Kontakte her. Sie kommt, wenn es sich so ergibt. Ich habe keinen Einfluss darauf.«
    »Es war nur so kurz.«
    »Darauf habe ich ebenfalls keinen Einfluss.«
    »Es hatte den Anschein, als sei er zornig. ›Du weißt nicht, was du tust‹, sagte er.«
    »Du musst selbst entscheiden, was für Schlüsse du daraus ziehst.«
    »Darf ich wiederkommen?«
    »Selbstverständlich. Ich hoffe, ich habe dir ein wenig weiterhelfen können.«
    »Das hast du getan, vielen Dank. Ich glaube, vielleicht …«
    »Ja?«
    »Meine Mutter starb an Krebs.«
    »Ich verstehe«, hörte Erlendur das Medium teilnahmsvoll sagen. »Das hast du mir nicht gesagt. Ist sie schon lange tot?«
    »Es ist bald zwei Jahre her.«
    »Ist sie vorhin auch erschienen?«
    »Nein, aber ich spüre sie. Ich spüre ihre Nähe.«
    »Hat sie sich bemerkbar gemacht? Bist du bei anderen Sehenden gewesen?«
    Auf diese Frage folgte längeres Schweigen.
    »Entschuldigung«, sagte das Medium. »Es geht mich natürlich nichts an.«
    »Ich warte die ganze Zeit darauf, dass sie im Traum zu mir kommt, aber das hat sie nicht getan.«
    »Weshalb wartest du darauf?«
    »Wir hatten …«
    Schweigen.
    »Ja?«
    »Wir hatten eine Vereinbarung getroffen.«
    »Ja?«
    »Sie … Wir haben darüber gesprochen, dass … sie mir ein Zeichen geben würde.«
    »Ein Zeichen wofür?«
    »Falls es ein Leben nach dem Tod gibt, wollte sie mir ein Zeichen schicken.«
    »Was für ein Zeichen? Im Traum?«
    »Nein, nicht im Traum. Trotzdem habe ich darauf gewartet, sie im Traum zu sehen. Ich sehne mich danach, sie wiederzusehen. Das Zeichen war aber etwas anderes.«
    »Meinst du damit, dass … Hat sie das getan, hat sie dir ein Zeichen geschickt?«
    »Ja, ich glaube, neulich …«
    »Und was war das?«, fragte das Medium, und das Interesse in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Was für ein Zeichen war das? Was für ein Zeichen hattet ihr vereinbart?«
    Wieder entstand längeres Schweigen.
    »Sie hatte den Lehrstuhl für Französisch an der Universität. Ihr Lieblingsschriftsteller war Marcel Proust, vor allem das Buch Auf der Suche nach der verlorenen Zeit . Sie besaß es auf Französisch in einer schönen Ausgabe. Sie sagte, sie würde Proust verwenden. Das Zeichen würde bestätigen, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.«
    »Und was ist passiert?«
    »Du glaubst bestimmt, ich bin verrückt.«
    »Nein, das glaube ich nicht. Die Menschheit beschäftigt sich bereits seit Langem mit der Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Seit Jahrtausenden versuchen wir, diese Frage wissenschaftlich oder privat zu ergründen, so wie du und deine Mutter. So etwas höre ich nicht zum ersten Mal. Und ich erlaube mir kein Urteil über die Menschen.«
    Diesen Worten folgte wieder längeres Schweigen. Erlendur saß in seinem Sessel und lauschte interessiert. Die Stimme der Toten hatte etwas seltsam Faszinierendes, etwas Freimütiges und Unbeugsames, das Erlendur glaubwürdig vorkam. Er stand dem, was sie sagte, jedoch sehr skeptisch gegenüber und war davon überzeugt, dass spiritistische Sitzungen wie die, die er sich

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