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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Eltern nach Island zurückkehrten und ihre Tochter in Reykjavík besuchen wollten, war sie verschwunden. Der Vermieter schloss die Wohnung für sie auf. Sie war in ordentlichem Zustand. Alles sah so aus, als sei sie gerade mal eben auf einen Sprung aus dem Haus gegangen. Die Bücher, die sie für ihr Referat brauchte, lagen aufgeschlagen herum. Im Waschbecken in der Küche standen ein paar Gläser, das Bett war nicht gemacht. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie mit einer Freundin in Akureyri telefoniert, und zwei Kommilitonen, die mit ihr gesprochen hatten, waren der Meinung, dass sie für ein paar Wochen nach Akureyri gefahren sei. Diese Theorie wurde dadurch gestützt, dass ihr Auto, ein alter, klappriger Austin Mini, ebenfalls verschwunden war.
    Erlendur ging in die Küche und kochte sich einen Kaffee. Er toastete zwei Scheiben Brot, bestrich sie mit Butter und holte sich Käse und Marmelade aus dem Kühlschrank. Währenddessen kreisten seine Gedanken um das Gespräch auf der Kassette, die Karen ihm gegeben hatte, und er überlegte, was als Nächstes zu tun sei. Er glaubte, jetzt ein besseres Bild von Marías geistiger Verfassung zu der Zeit zu haben, bevor sie sich das Leben genommen hatte.
    Erlendurs Gedanken schweiften auch zu Sindri und Eva und seiner früheren Frau Halldóra. Ein Treffen mit ihr konnte er sich nicht vorstellen, auch wenn Eva Lind fand, dass es wichtig war. Er dachte äußerst selten an Halldóra, das weckte nur die Erinnerungen an ihre Auseinandersetzungen und Streitigkeiten in der Zeit, bevor er sie und die beiden Kinder verließ. Der Scheidung war eine lange Vorgeschichte vorausgegangen. Er hatte sich bemüht und alles in seiner Macht Stehende getan, damit sie ohne größere Schwierigkeiten über die Bühne gehen konnte, aber jedes Mal, wenn er darauf zu sprechen kam, dass er die Beziehung beenden und ausziehen wollte, schottete sie sich einfach ab, indem sie erklärte, das sei absurd, sie müssten diese Probleme gemeinsam bewältigen. Außerdem gab es in ihren Augen gar keine Probleme, sie wusste angeblich nicht, worüber er redete.
    Erlendur blätterte in den Zeitungen. Marías Stimme und das, was bei der Séance zur Sprache gekommen war, verfolgten ihn. Diese Sitzung konnte noch gar nicht so lange her sein. Sie hatte auf der Kassette von knapp zwei Jahren seit dem Tod ihrer Mutter gesprochen, und es war keineswegs der erste Besuch bei diesem Medium gewesen. Diese starke Bindung zwischen María und ihrer Mutter musste in der Tat einzigartig gewesen sein, wahrscheinlich war sie durch den Tod des Vaters auf dem See von Þingvellir noch enger geworden. Mutter und Tochter waren auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen gewesen. Konnte es etwas anderes sein als ein Zufall, dass María dieses Buch aufgeschlagen auf dem Boden gefunden hatte, das Buch, über das Mutter und Tochter gesprochen hatten, das Buch, das ein Zeichen für ein Leben nach dem Tod sein sollte? Oder hatte da jemand anderes seine Finger im Spiel gehabt? Hatte María in dieser Zeit seit Leonóras Tod irgendjemandem, beispielsweise dem Ehemann oder irgendjemand anderem, von der Vereinbarung mit ihrer Mutter erzählt? Hatte sie vielleicht selbst in Gedanken das Buch aus dem Regal genommen und es nicht richtig an seinen Platz zurückgestellt? Das konnte man nicht wissen. Die Bandaufnahme endete mit Marías Worten, dass sie wegen dieses Zeichens, von dem sie glaubte, dass es von ihrer Mutter kam, das Medium aufgesucht hatte. Von diesem Mann erwartete sie sich eine Bestätigung des Zeichens, sie wollte möglichst auch Kontakt zu ihrer Mutter bekommen und sich mit deren Tod aussöhnen. Der Selbstmord deutete jedoch darauf hin, dass María nicht ausgesöhnt war, sondern dass sie all diese Dinge ganz im Gegenteil an den Rand des Abgrunds gedrängt hatten.
    Er versuchte, eine Erklärung für dieses Bedürfnis zu finden, das ihn beim Abhören der Kassette überfallen hatte, das Bedürfnis, mehr wissen zu müssen. Nicht nur über diese Frau, die sich das Leben genommen hatte. Er wollte auch ihre Freunde, ihre Familie und ihren Lebensweg besser kennenlernen, der mit einer Schlinge in einem Ferienhaus geendet hatte. Er musste dieser Sache auf den Grund gehen und dieses Medium ausfindig machen und ausfragen, er wollte die alte Geschichte auf dem See von Þingvellir aufrollen, er wollte herausfinden, wer María war. Woher diese dunkle und raue Stimme gekommen war, die María ans Herz gelegt hatte, auf der Hut zu sein, weil sie nicht

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