Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
davon zu haben! Was wolltest du eigentlich von mir?«
»Es ist wegen Baldvin …«
»Ja, richtig, das hast du schon am Telefon erwähnt. Ich habe gehört, dass seine Frau auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Wir haben schon seit vielen Jahren überhaupt keinen Kontakt mehr.«
»Ihr wart aber zusammen auf der Schauspielschule, wenn ich das richtig verstanden habe.«
»Das stimmt. Er war durchaus ein begabter Schauspieler, hat dann aber auf einmal angefangen, Medizin zu studieren. Sehr vernünftig von ihm, er hat auf jeden Fall nicht die verdammten Kritiker im Nacken! Und natürlich verdient er viel mehr. Was nutzt es, ein berühmter Schauspieler zu sein, wenn man arm ist wie eine Kirchenmaus. Hierzulande sind die Gehälter für Schauspieler erbärmlich.«
»Ich glaube, er steht sich nicht schlecht«, sagte Erlendur, der bemüht war, den Schauspieler zu beschwichtigen.
»Er hatte immer Geldprobleme, daran kann ich mich noch erinnern. Dauernd hat er einen angepumpt und war dann ziemlich träge, wenn es ums Zurückzahlen ging. Man musste ihm ständig im Nacken sitzen, und manchmal hat selbst das nichts genützt. Sonst war er aber ganz in Ordnung.«
»Damals waren aber auch noch einige andere an der Schauspielschule.«
»Ja, das stimmt«, sagte Orri und strich sich mit dem Zeigefinger über das schmale Bärtchen, um sich zu vergewissern, dass es richtig saß. »Eine verdammt gute Truppe.«
»Fünfzehn Minuten bis zur Vorstellung«, hörte man über den Lautsprecher.
»Er hat seine Frau kennengelernt, kurz nachdem er das Schauspielstudium an den Nagel gehängt hatte«, sagte Erlendur.
»Ja, daran kann ich mich gut erinnern. Ein sehr nettes Mädchen, sie war auch an der Uni. Sag mal, weshalb erkundigt sich eigentlich die Polizei nach Baldvin?«
Erlendur wägte jedes Wort ab, denn er erinnerte sich an das, was Valgerður ihm gesagt hatte, dass nirgendwo mehr getratscht würde als unter Schauspielern.
»Wir arbeiten mit den Schweden zusammen an einer Studie …«
Orris Interesse kühlte augenblicklich ab.
»Diese Typen damals haben es mit ihren Scherzen ganz schön weit getrieben«, sagte er, »das muss man ihnen lassen. Soweit ich weiß, hat irgendein Freund von Baldvin irgendeinen Tryggvi mit seinem Herumexperimentieren richtiggehend um den Verstand gebracht.«
»Mit seinem Herumexperimentieren?«
»Da studierte Baldvin bereits Medizin. Sonst noch Fragen? Ich muss jetzt nach vorn, es sind nur noch fünf Minuten. War da überhaupt jemand im Saal? Die haben diese Aufführung komplett ruiniert, diese Kritiker. Die haben keinen blassen Schimmer vom Theater. Keinen blassen Schimmer! Dass solche Gestalten überhaupt ernst genommen werden, ist unbegreiflich. Die Leute stornieren zu Dutzenden ihre Kartenvorbestellungen.«
Orri öffnete die Tür zum Gang.
»Was hast du da über diesen Tryggvi gesagt?«, fragte Erlendur.
»Tryggvi? Ja, so hieß er, glaube ich. Sie haben gesagt, er sei einer von denen, die sich um den Verstand gelesen haben. Von so etwas hast du doch sicher gehört. Ein unheimlicher begabter junger Mann, der dann einfach durchdrehte. Er gab das Studium dran. Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist.«
»Hatte Baldvin etwas damit zu tun?«
»So hieß es immer, er und sein Freund, sie waren Kommilitonen. Es kann gut sein, dass er sogar ein Cousin von diesem Tryggvi war, irgendwie waren sie verwandt. Sie haben sich immer prima verstanden.«
»Und was ist damals passiert?«
»Hast du nie etwas darüber gehört?«
»Nein.«
»Tryggvi hat angeblich seinen Cousin gebeten …«
Othello stürmte den Gang entlang, Desdemona war ihm auf den Fersen. Er trug die Uniform eines amerikanischen Obersten, sie ein blassrosa Sommerkostüm und eine enorme blonde Perücke. Othello war kahl geschoren, ihm standen bereits die Schweißperlen auf der Glatze.
»Lass uns die verdammte Kiste hinter uns bringen«, bellte Othello und zerrte Jago mit sich in Richtung Bühne. Desdemona schenkte Erlendur ein freundliches Lächeln.
»Um was hat Tryggvi seinen Cousin gebeten?«, rief Erlendur Orri hinterher.
»Ich weiß nicht, ob es stimmt, aber ich habe das vor vielen Jahren gehört.«
»Was? Was hast du gehört?«
»Tryggvi hat ihn gebeten, ihn umzubringen.«
»Ihn umzubringen? Ist er tot?«
»Nein, quicklebendig, aber, wie gesagt, nicht ganz dicht.«
»Was willst du eigentlich damit sagen? Ich verstehe …«
»Dieser Cousin hat ein Experiment mit Tryggvi gemacht.«
»Was für ein Experiment?«
»Mir
Weitere Kostenlose Bücher