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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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ist die Geschichte so zu Ohren gekommen, dass er Tryggvi für ein paar Minuten vom Leben zum Tode befördert und ihn dann wiederbelebt hat. Und es hieß, dass Tryggvi sich nie davon erholt hat.«
    Mit diesen Worten stürmte Jago mitsamt den anderen auf die Bühne.
    Am folgenden Tag durchstöberte Erlendur im Polizeiarchiv die alte Akte über den Vorfall auf dem See von Þingvellir. Er las die Zeugenaussage von Marías Mutter Leonóra, ebenso den Bericht eines Experten über das Boot und den Außenbordmotor. Unter den Dokumenten befand sich auch der Obduktionsbericht, aus dem hervorging, dass Magnús in dem kalten Wasser ertrunken war. Anscheinend hatte das Mädchen keine Zeugenaussage machen müssen. Die Angelegenheit wurde als Unfall zu den Akten gelegt. Erlendur sah nach, wer damals die Ermittlungen geleitet hatte. Er hieß Níels, und Erlendur seufzte. Níels und er hatten etwa zur gleichen Zeit bei der Polizei angefangen, aber er war Erlendur von Anfang an unsympathisch gewesen. Im Gegensatz zu Erlendur war Níels faul und arbeitete schlampig, weswegen sich die Ermittlungen bei ihm immer lange hinzogen und die Fälle sogar manchmal verjährten.
    Níels machte gerade eine Kaffeepause und schäkerte mit den weiblichen Kantinenangestellten, als Erlendur ihn fand. Er fragte, ob er ihn kurz sprechen könne.
    »Ja, worum geht’s denn, verehrter Kollege?«, fragte Níels, dessen herablassende Art der Kommunikation auf jovialen, leeren Floskeln beruhte. Lieber Freund, verehrter Kollege, Alter oder Kumpel, diese Wörter hängte er je nach Bedarf an seine Sätze, nichtssagende Worte, die aber außerordentlich bedeutsam klingen sollten. Er hielt sich zwar für etwas Besseres als die anderen, doch das entbehrte jeder Grundlage.
    Erlendur ging mit ihm in eine ruhige Ecke der Kantine, und dort setzten sie sich an einen Tisch. Erlendur fragte ihn, ob er sich an diesen Unfall seinerzeit auf dem See von Þingvellir und an die unmittelbar Betroffenen, an Leonóra und ihre Tochter María, erinnerte.
    »Soweit ich weiß, war bei dem Fall alles sonnenklar.«
    »Doch, sicher. Aber du kannst dich vielleicht an irgendetwas Besonderes im Zusammenhang mit den äußeren Umständen oder den Leuten oder dem Unfall erinnern?«
    Níels setzte eine Miene auf, die sagen sollte, dass er sich darauf konzentrierte, diesen Unfall auf dem See zu rekapitulieren. »Suchst du nach all den Jahren nach einem Verbrechen?«, fragte er.
    »Nein, weit davon entfernt. Das kleine Mädchen, dem du damals dort mit seiner Mutter begegnet bist, ist vor Kurzem gestorben. Es war ihr Vater, der auf dem See ertrunken ist.«
    »Ich kann mich an nichts Besonderes bei diesem Fall erinnern«, sagte Níels.
    »Wie hatte sich die Schraube vom Motor gelöst?«
    »Das hab ich natürlich nicht mehr so genau im Kopf«, entgegnete Níels vorsichtig. Er sah Erlendur misstrauisch an. Nicht alle bei der Kriminalpolizei waren erbaut, wenn Erlendur wieder einmal einen alten Fall ausgrub.
    »Erinnerst du dich, was die Leute von der Spurensicherung damals gesagt haben?«
    »Ging es nicht um Verschleiß?«, fragte Níels.
    »Ja, so etwas Ähnliches«, sagte Erlendur. »Aber das erklärt letzten Endes nicht viel. Der Motor war alt und nicht sonderlich gut gewartet worden. Haben sie sonst noch etwas gesagt, was nicht in den Bericht aufgenommen wurde?«
    »Der alte Guðfinnur hat damals die Spurensicherung am Schauplatz geleitet, aber der ist tot.«
    »Und wir können ihn nicht fragen. Dir ist doch wohl bekannt, dass nicht immer alles ins Protokoll aufgenommen wird.«
    »Was stocherst du da eigentlich immer in der Vergangenheit herum?«
    Erlendur zuckte mit den Achseln.
    »Und was möchtest du da ans Licht bringen, lieber Freund?«
    »Nichts«, sagte Erlendur mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Was genau möchtest du wissen?«, bohrte Níels weiter.
    »Wie haben Mutter und Tochter darauf reagiert?«
    »An ihren Reaktionen war nichts Auffälliges. Das war ein tragischer Unfall, das konnten alle feststellen. Die Frau war einem Nervenzusammenbruch nahe.«
    »Die Schraube wurde nie gefunden.«
    »Nein.«
    »Und es gab keine Möglichkeit, genau festzustellen, wie sie sich gelöst hatte?«
    »Nein. Der Mann war allein im Boot. Wahrscheinlich hat er da am Motor herumgefummelt, ist dabei über Bord gegangen und ertrunken. Seine Frau hat nicht gesehen, wie es passiert ist, und genauso wenig das Mädchen. Die Frau bemerkte bloß auf einmal, dass niemand mehr im Boot war. Sie hörte ihren Mann zwar

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