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Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi

Titel: Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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an der Volksschule in Eskifjörður. Am Samstag, dem 24. November 1956 war das Wetter kalt, aber sonnig, doch wegen des Schnees war das Vorwärtskommen schwierig. Sveinn beabsichtigte, ein paar Schafe zu holen, die ihm wieder in die Berge entwischt waren. Zu dieser Jahreszeit musste man auf alle Arten von Wetter gefasst sein, und überdies war die Schneedecke bereits so hoch, dass die Tiere nichts zu fressen fanden. Er nahm seine beiden Söhne auf diesen Gang mit, und sie brachen bei Tagesanbruch von Bakkaselshjáleiga auf. Sveinn wollte vor Einbruch der Dunkelheit wieder zurück sein.
    Sie folgten zunächst dem Weg ins Þverá-Tal bis zum Berg Harðskafi, ohne irgendwelche Schafe zu finden. Deswegen setzten sie ihre Suche in südlicher Richtung fort und gingen in die Berge oberhalb von Eskifjörður. Sie kamen nur langsam vorwärts bis zum Langihryggur, und als sie beim Urðarklettur angelangt waren, verschlechterte sich das Wetter schlagartig. Sveinn war so besorgt, dass er sofort beschloss, den Rückweg anzutreten. Bevor sie sich versahen, war ein Unwetter der schlimmsten Sorte über sie hereingebrochen, mit starkem Schneefall und scharfem Wind aus dem Norden. Und das Wetter verschlechterte sich zusehends, bald befanden sie sich mitten in einem tobenden Schneesturm und konnten die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Die Jungen wurden vom Vater getrennt. Er suchte lange und rief nach ihnen, schrie ihre Namen, aber ohne Erfolg. Mit knapper Not gelangte er selbst wieder ins Tal und folgte der Eskifjarðará bis zu seinem Hof. Das Unwetter war so schlimm, dass er sich nicht auf den Beinen halten konnte und die letzte Strecke bis zu seinem Haus auf allen vieren zurücklegen musste. Daheim angekommen, war er völlig entkräftet, er hatte seine Mütze verloren, Haar und Bart waren eisverkrustet, und er war kaum noch zurechnungsfähig.
    Man rief in Eskifjörður an und bat um Hilfe, und bald ging die Nachricht durch die ganze Gegend, dass die beiden Jungen oben in den Bergen in diesem Aufruhr der Elemente, der jetzt auch unten in den Tälern losgebrochen war, um ihr Leben kämpften. Im Laufe des Abends traf die Suchmannschaft auf dem Hof Bakkaselshjáleiga ein, aber mit der Suche konnte man erst beginnen, wenn das Unwetter etwas nachgelassen hatte und es wieder hell wurde. Es waren schwierige Stunden für die Eltern, die um ihre beiden Söhne oben in den Bergen bangten. Vor allem der Vater war am Boden zerstört und kaum ansprechbar, vor Seelenqualen war er wie von Sinnen. Er hielt die Jungen für verloren und kümmerte sich weder um die Organisation der Suche noch um die Männer, die daran teilnehmen wollten. Áslaug hingegen war unermüdlich und ging allen voran, als die Suchmannschaft am nächsten Morgen in die Berge aufbrach.
    Zu dem Zeitpunkt waren ebenfalls Suchtrupps aus Reyðarfjörður, Neskaupstaður und Seyðisfjörður alarmiert worden, und deswegen waren sehr viele Menschen unterwegs. Das Unwetter hatte etwas nachgelassen, aber die enormen Schneemassen behinderten die Sucher. Sie brachen zunächst in die Berge oberhalb von Eskifjörður auf. Sie hatten lange Stangen dabei, mit denen sie im Schnee stocherten, um irgendwelche Spuren von den Jungen zu finden, aber ohne Erfolg, weil in der Nacht große Mengen von Schnee gefallen waren. Man ging davon aus, dass die beiden Jungen zusammen waren und sich wahrscheinlich im Schnee eingegraben hatten. Sie waren bereits achtzehn Stunden vermisst, als die Suche aufgenommen wurde, und gemessen an der Kälte oben in den Bergen war es ein Wettkampf mit der Zeit.
    Mit dicken Winterjacken, Schals und Mützen waren die Jungen gut gegen die Kälte gekleidet gewesen, als sie von zu Hause aufgebrochen waren. Nach vier Stunden Suche fand man einen Schal, und Áslaug erklärte, dass er dem älteren Sohn gehörte. Daraufhin konzentrierte sich die Suche auf die allernächste Umgebung der Stelle, an der der Schal gefunden worden war. Ein Mitglied der Suchmannschaft war Halldór Brjánsson aus Seyðisfjörður. Er glaubte plötzlich, auf Widerstand zu stoßen, als er mit seinem Stab im Schnee stocherte, und als die Männer anfingen zu graben, kam der ältere Junge zum Vorschein. Er lag auf dem Bauch, als wäre er vornübergefallen. Er gab noch Lebenszeichen von sich, war aber völlig untergekühlt, und an Händen und Füßen zeigten sich bereits Anzeichen von Erfrierungen. Er war kaum noch bei Bewusstsein und konnte den Suchtrupps keinen Hinweis geben, wo sein jüngerer Bruder sein

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