Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Erleichterung bedeutet, nichts mehr mit diesen Hobelscharten und Sägespänen zu tun zu haben.»
«Ich habe keine Hobbies, Burtweed», erklärte Ebbs feierlich, indem er in sein Fleisch hineinschnitt. «Nur mein Schiff.»
«Äußerst lobenswert, Sir.»
Es klopfte an die Jalousietür, und Prittlewell trat ein, mit einer schwungvollen Geste seine Mütze unter den linken Arm klemmend.
«Guten Morgen, Zahlmeister! Wie geht's den Passagieren?»
«Sie sind hungrig wie die Wilden, Sir.»
«Vortrefflich, vortrefflich! Und was kann ich für Sie tun?»
«Ich bringe Ihnen ein Verzeichnis Ihrer gesellschaftlichen Verpflichtungen während der Fahrt, Sir.»
Ebbs' Heiterkeit schwand dahin.
«Nicht nur meine Mahlzeiten und meine Gäste, sondern auch mein Leben muß ich von andern bestimmen lassen?»
«Es ist so üblich, Sir.»
Ebbs besah sich die lange, mit Daten versehene Liste, während er ein Stück Toast mit Butter bestrich. «... Ist bei all diesen Dingen meine Anwesenheit unbedingt erforderlich?»
«Leider erwarten es die Passagiere, Sir.»
«Aber das hier - Kinderjause? Wozu soll ich dabei gut sein? Das geht schon ein bißchen zu weit, muß ich sagen.»
«Ich möchte darauf hinweisen, daß Lady McWhirrey in London ganz besonderen Wert darauf legt, daß der Kapitän dabei anwesend ist, Sir. Und hier ist die Sitzordnung an Ihrem Salontisch.»
Ebbs nahm eine Karte entgegen, auf der in Maschinenschrift folgendes vermerkt war:
Miss Annette Porter-Williams
Mr. Dancer
Mrs. William Coke
Kanonikus Swingle
Mrs. Porteous
Mrs. Judd
Mr. William Coke
Mrs. Lomax
Mr. Willy Boast
Der Kapitän
«Können Sie mir irgend etwas über diese Leute sagen, Zahlmeister?» fragte Ebbs hoffnungsvoll. «So ein bißchen Tratsch, der mir beim Konversationmachen nützlich sein kann?»
«Hab die meisten von ihnen schon einmal zu Gesicht gekriegt», sagte Prittlewell, als bespräche er ein Konzertprogramm. «Die Cokes sind australische Millionäre - Herzen von Gold, aber recht vulgär. Wolle, verstehen Sie. Die alte Mrs. Lomax reist aus Gesundheitsgründen. Boast schreibt Bücher über Cricket -»
«Oh, wirklich? Ich verbringe zwar mein Leben tausend Meilen vom nächsten Grashalm entfernt, doch verstehe ich genug von diesem Spiel, um wenigstens mit Mr. Boast ein ausreichendes Gesprächsthema zu haben.»
«Das bezweifle ich, Sir. Er ist seit Tilbury betrunken. Und die übrigen sind seekrank gewesen.»
Ebbs' Gesicht zog sich in die Länge. «Da wird also das heutige Dinner so etwas wie eine Schicksalsprüfung sein, fürchte ich?»
«Oh, zweifellos, Sir. Kapitän Buckle sagte immer, er gäbe gern einen Monatslohn her, wenn er dafür dem ersten Dinner auf See entkäme. Und dann habe ich noch ein Schreiben für Sie, Sir.» Er reichte Ebbs einen Briefumschlag, der die Aufschrift privat und vertraulich trug. «Von Brigadier Broster.»
Ebbs öffnete den Brief. Er lautete:
«Geehrter Kapitän!
Noch nie in meinem Leben ist mir eine ärgere Beschimpfung widerfahren. Ich habe in letzter Minute meine Arrangements geändert - was für mich mit den größten Unannehmlichkeiten verbunden war -, um speziell mit Ihrem Schiff zu reisen, und man hat mir für meine Mahlzeiten einen zugigen Tisch bei der Tür zugewiesen (dabei leide ich unter schwerem Rheumatismus), der Meilen entfernt von der Küche liegt, so daß das Essen eiskalt auf den Tisch kommt, in unmittelbarer Nähe eines Ventilators, der mich mit dem Gestank des Maschinenraums überschwemmt, und das alles in der ausschließlichen Gesellschaft von fünf Geistlichen. Nicht, daß ich mich beschwere. Ich bin zwar einer der Hauptaktionäre der Pole Star Line und ein intimer Freund unseres Präsidenten, doch ich wünsche genauso wie die anderen Passagiere behandelt zu werden. Alles, was recht ist. Auf anderen Pole-Star-Dampfern (ganz zu schweigen von denen der und P. & O.) bietet man mir zumindest einen Platz am Tisch des Kapitäns an. Wollen Sie bitte die Ihnen angemessen erscheinenden Schritte unternehmen.
Hochachtungsvoll
Roger Broster»
Ebbs schnappte nach Luft. «Also, so einen Brief hab ich noch nie in meinem Leben bekommen!» Er schneuzte sich erregt. «Das scheint mir ein äußerst schwieriger Kunde zu sein, Zahlmeister.»
«Dafür ist er berühmt in unserer Gesellschaft, Sir. Ihm hat es Kapitän Isleworth zu verdanken, daß er von der
Weitere Kostenlose Bücher