Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Brüste;
ach, käm doch bald die Mitternacht,
daß ich zu Dir trüg meine Lüste...»
«Bestellen Sie Mr. Jay meine besten Grüße», trug Ebbs Burtweed auf, ohne weiterzulesen. «Und bitten Sie ihn, sofort nach der Wache zu mir zu kommen.»
Der Mutter folgte Dancer, der seinen Kabinensteward bezichtigte, in damenhafter Aufmachung zu erscheinen. Hinter ihm trat ein biederer englischer Maurermeister ein, ein Auswanderer aus den achtfach belegten Kabinen am C-Deck, ein stämmiger Kerl, der sich selbst in diesem Klima nicht von seinem Steifen und seinen Hosenträgern trennen konnte.
«Möcht nicht haben, daß Sie mich für einen Stänkerer halten, Sir», sagte er und blickte respektvoll auf Ebbs' goldene Epauletten. «Ich gehör nicht zu dieser Sorte. Leben und leben lassen ist mein Motto. Und ist's immer gewesen. Wenn meine Alte und ich während der Fahrt in verschiedene Kabinen gesteckt worden sind - da sag ich kein Wort, das ist nur in Ordnung, dafür haben wir's billiger. Und ich bin ein weitherziger Kerl, Käpt'n, das können Sie mir glauben. Als die Burschen in meiner Kabine gestern früh aufwachten und diesen Friseur aus Blackpool mit einem rothaarigen Weibsstück im Bett erwischten - na, da haben wir ihn nur ein bißchen gewürgt und weiter nichts gesagt. Aber heut morgen wacht meine Alte auf und - ich bitt Sie! - da liegt er, wie ein Säugling schlummernd, neben demselben Luder, mitten unter sieben andern Damen.»
«Burtweed», sagte Ebbs, nachdem der Maurermeister mit dem vagen Versprechen einer strengeren Trennung der Geschlechter enteilt war, «niemand darf mehr in meine Kabine eingelassen werden - niemand. Ich fühle mich äußerst unwohl, habe kaum mein Frühstück begonnen und bin keineswegs geneigt, mir die idiotischen Herzensergüsse der Passagiere anzuhören. Sagen Sie, daß ich am Steuer bin.»
«Sehr wohl, Sir.»
«Ja, Funker?» fragte er, als der Erste Funkoffizier schüchtern in der Tür erschien. Er war ein bescheidenes Männchen mit dicken Augengläsern.
«Sind Sie der Ansicht, daß dies durchgegeben werden soll, Sir?» erkundigte er sich, indem er Ebbs ein Radiogramm reichte. «Mit Rücksicht auf das, was Sie über Nachrichten von Passagieren in Suez sagten, hielt ich es für besser, es Ihnen herunterzubringen.»
Ebbs las:
MCWHIRREY BINNICLE LONDON
ROTBOLSCHEWISTISCHE UMSTURZBEWEGUNG GREIFT AN BORD UM SICH
BIN EMPOERT BROSTER
Ebbs betrachtete den Wisch einige Zeit, ohne etwas zu äußern. Sein Gemütsleben war bereits bis zur Gefühllosigkeit niedergeknüppelt worden.
«Bestellen Sie Brigadier Broster meine Empfehlungen», trug er Burtweed auf und schob erschöpft Messer und Gabel beiseite. «Und bitten Sie ihn, zu mir zu kommen.»
«Eine Schande ist das!» brüllte Broster, sobald er auftauchte.
«Vielleicht möchten Sie aber doch, Brigadier, Ihr Kabel nochmals in Erwägung ziehen...»
«Warum sollte ich dies?»
«Es könnte in der Zentrale einen unnötigen Alarm erregen», sagte Ebbs so ruhig, als es ihm möglich war. «Oder auf den Schiffen, die es unterwegs auffangen. Die könnten glauben, daß es sich um Meuterei handelt. »
«Ich ziehe kein einziges Wort zurück.»
«Ich habe selbstverständlich das Recht, jedwedes Kabel zurückzuhalten», sagte Ebbs milde.
«Sie fügen also die Unterdrückung der Redefreiheit Ihren übrigen Eigenmächtigkeiten hinzu, was? »
Ebbs kratzte sich, seufzte und sprach schließlich flehentlich: «Hätten Sie mir Ihre Beschwerde doch zuerst vorgetragen, Sir! Statt sich über meinen Kopf hinweg direkt an den Präsidenten zu wenden -»
«Da liegt sie, Kapitän! Da liegt sie! Vor Ihrer Nase! Sehen Sie sich das da an! Beschnüffeln Sie es! Ich wäre nicht überrascht zu hören, daß dieser verdammte Propagandawisch vom Anfang bis zum Ende von Moskau diktiert worden ist!»
Brosters Zeigefinger wies anklagend auf das mit Bleistift beschriebene Blatt Konzeptpapier, das neben Ebbs' kaltem Frühstück lag. Die Überschrift lautete:
The Charlemagne Times
Unsere Schiffszeitung
Guten Morgen, verehrte Leser!
Dieses Elaborat - das einzige Zeichen dafür, daß die Charlemagne die Existenz einer Außenwelt zur Kenntnis nahm - war frühmorgens in der Funkkabine aus den Morsenachrichten, die England großzügig aussendete, zusammengebraut worden. Da dem Funker als einziger Hilfsredakteur nur seine eigene Einfallsfreudigkeit zur Verfügung stand, brachte es, wie alle Schiffszeitungen, so kontrastreiche und sonderbare Blitzlicher, wie sie jederzeit
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