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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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den Arzt holen, Sir?»
    «Nein, nein!» Ebbs assoziierte ärztliche Hilfe stets mit seiner Schwester. «Wahrscheinlich verschwindet das Ganze im Lauf des Tags.»
    Er nahm, sich kräftig kratzend, am Frühstückstisch Platz.
    «Mit Respekt zu sagen, Sir, Sie sollten sich vielleicht mit Essig einreiben. An den exponierten Stellen. Wenn ich's so nennen darf, Sir.»
    Ebbs knurrte.
    «Da war ich mal Tiger bei einem armen Herrn», fuhr Burtweed, zärtlicher Reminiszenzen voll, fort. «Das war Kapitän Pick, Sir, von der alten Augustus. An einem Freitag, Sir - es war bestimmt ein Freitag, weil ich mich erinnere, daß es der Karfreitag war -, erschien er ganz mit Pickeln übersät, und am Ostermontag war er tot, Sir.»
    «Burtweed», sagte Ebbs und drohte ihm mit dem Messer, «gehen Sie hinaus!»
    «Ich meinte nichts Schlimmes, Sir.»
    «Hinaus mit Ihnen!»
    «Ja, Sir. Sollen die geistlichen Herren noch warten, Sir?»
    «Was für geistliche Herren?»
    «Seit halb acht stehen sie vor der Tür, Sir.»
    Sechs Pfarrer traten in die Kabine, und alle sahen ergrimmt aus.
    «Na? schnappte Ebbs auf sie los; er konnte sich die Ursache ihres Besuchs nicht erklären. Doch dann erinnerte er sich plötzlich, daß er es mit Passagieren der Pole Star Line zu tun hatte, und fügte so liebenswürdig wie möglich hinzu: «Womit kann ich Ihnen dienen, bitte? »
    Kanonikus Swingle räusperte sich, auf einem Bein stehend. «Kapitän», sagte er, «ich fürchte, eine Trennung - um nicht zu sagen, eine Scheidung - ist unvermeidbar. Ich spreche als einer, der bereits von der Quelle des Übels entfernt wurde; doch der von meinen Kollegen besetzte Tisch im Salon kann effektiv nicht mehr so bleiben, wie er ist.» Er schlug die Augen nieder. «Mr. Toddy warf heute früh einen Teller Haferflocken auf Mr. McBride.»
    «Sehen Sie sich nur meine Halsbinde an! » rief McBride und öffnete seinen Leinenrock. «Total ruiniert!»
    «Warum, um alles in der Welt, haben Sie so etwas getan?» fragte Ebbs, der sich unentwegt kratzte.
    «Er hat zuerst seinen Puffreis auf mich geworfen!» rief Toddy hitzig. Er war ein blasser, von Geburt an für ein geistliches Amt prädestinierter Bursche.
    «Mr. Toddy», sprach McBride. «Nicht nur, daß Sie kein Gentleman sind, morden Sie auch noch unbedenklich die Wahrheit.»
    «Mr. McBride, Sie hüllen sich vergeblich in schwülstige Reden. Vater Hennessy sah Sie es tun.»
    «Mr. Toddy, ich erkläre Ihnen, daß ich so etwas nie getan habe. Übrigens haben Sie die ekelhafte Gewohnheit, Ihre Haferflocken mit Marmelade zu verrühren -»
    «Was nicht schlimmer ist als Ihre geradezu übelkeiterregende Gepflogenheit, Brotstücke in Ihr Ei zu tauchen.»
    McBride ballte die Fäuste. «Mr. Toddy, es juckt mich, Ihnen eine gehörige Tracht Prügel zu verabreichen.»
    «Mr. McBride, bitte, versuchen Sie's nur.»
    «Aber, meine Herren, meine Herren!» rief Ebbs, als Kanonikus Swingle und die andern eingriffen, um zu verhindern, daß die Deputation zu einem Kampfgetümmel ausartete. «Ich hätte mir ein derartiges Benehmen wirklich nicht von Ihnen erwartet! Bitte, halten Sie sich doch vor Augen, wer Sie sind! Ich kann selbstverständlich die Sitzordnung im Salon ändern, wenn es unbedingt notwendig ist, doch dies wird an Bord ein beträchtliches und unliebsames Aufsehen erregen -»
    «Ich würde nicht einmal meine letzte Brotkrume an einem Tisch mit Mr. McBride verzehren!» rief Toddy schrill.
    «Ich muß sagen, daß ich mit meinem neuen Platz recht zufrieden bin», murmelte Kanonikus Swingle. «Recht zufrieden.»
    Sobald Burtweed die Tür hinter der Geistlichkeit geschlossen hatte, rief Ebbs Prittlewell mittels Schiffstelefon an. «Zum Teufel, ich versteh nichts von allen diesen Dingen», sagte er. «Ist das ganze Schiff übergeschnappt? »
    «Oh, das ist nur der Rote-Meer-Nervenkoller, Sir», war Prittlewells unbekümmerte Antwort. «In der Hitze machen wir uns immer auf eine Epidemie von Beschwerden gefaßt. Sagen Sie ihnen nur die üblichen Floskeln der Gesellschaft.»
    «Die üblichen Floskeln der Gesellschaft! » grollte Ebbs. Als er Messer und Gabel aufnahm, um eine kalt gewordene Bratwurst anzuschneiden, platzte ein schwerfälliges Weib mit einer aufschnupfenden Tochter zur Tür herein und warf einige eng beschriebene Bogen Schiffsbriefpapier auf seinen Tisch.
    «Einer Ihrer Offiziere», sagte sie, «hat meiner Tochter das da zukommen lassen. »
    Ebbs las die ersten Zeilen:

«Steh ich im Tropenmond auf Wacht,
gedenk ich Deiner holden

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