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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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zu buchen, daß er noch immer das Kommando über das Schiff innehatte, Mrs. Porteous offenbar aus Scham Schweigen bewahrte, Shawe-Wilson, der zwar überhaupt nicht mehr Dienst machte, sich ihm aus dem Weg hielt und seine Offiziere, hielten sie ihn auch für verrückt, nicht den Verdacht hegten, er habe sich mit einer der Passagierinnen in ein und demselben Bett befunden. Doch wenn die Postsäcke des Schiffs, vollgestopft mit Beschwerdebriefen, in Aden über Bord gingen... Der Schiffsrumpf der Martin Luther zeichnete sich drohend vom Horizont ab wie der Fliegende Holländer.
    Jemand zupfte ihn leicht und zögernd am Ärmel. Er blickte sich erstaunt um. Ein kleines strohhaariges, großäugiges Mädelchen sah zu ihm empor.
    «Hallo!» rief Ebbs. Er hatte schon ganze Kinderscharen wie wilde Dartmoor-Ponies auf den Decks herumrumoren gesehen, war jedoch viel zu scheu gewesen, sie zu begrüßen. «Was, so allein?» fragte er impulsiv.
    Die Kleine nickte feierlich.
    Wie sie so vor ihm stand, winzig, von ihren Gespielen zurückgewiesen, einsam und mißverstanden, sprang sofort ein Funke der Sympathie von ihm zu ihr über.
    «Und wie heißt du denn, Kleine?» fragte er wohlwollend.
    «Priscilla», sagte sie, keineswegs eingeschüchtert.
    «Ist das aber ein hübscher Name!»
    «O nein», erklärte sie. «Ich finde ihn gar nicht hübsch. Ich finde ihn burschoah.»
    «Wo sind denn deine Mutti und dein Vati?»
    «In der Bar.»
    «Und wo sind denn alle deine kleinen Freunde?»
    «Die machen mich schrecklich nerföhs.»
    «Wie alt bist du denn?» fragte Ebbs argwöhnisch. Mit Kindern hatte er wenig Erfahrung, und er fragte sich einen Augenblick lang, ob er es hier vielleicht mit einer Zwergin zu tun hätte.
    «Neun. Wie alt bist du?»
    «Das brauchst du nicht zu wissen.»
    Sie begann ihn mit wachsendem Interesse zu betrachten. «Wer bist du eigentlich?» fragte sie.
    «Ich bin der Kapitän.»
    «Und was machst du?»
    «Ich mache eine Menge Dinge.»
    «Was für Dinge?»
    «Na - zum Beispiel herausfinden, wohin das Schiff fährt, und so weiter.»
    «Wie machst du das? »
    «Dir das zu erklären würde viel zuviel Zeit brauchen, liebe junge Dame», sagte er. Er streckte die Hand aus und tätschelte ihr sachte den Kopf, als wäre sie ein großer, sonderbarer Hund.
    «Wenn du der Kapitän bist, sag, bist du noch immer so kalt? » fragte sie.
    «Kalt? Mein liebes Mädelchen, ich versichere dir, im Augenblick ist mir überaus heiß.»
    «Nein, das ist nicht wahr. Ich hab gehört, wie eine der Damen das sagte. Sie sagte, der Kapitän ist so kalt wie ein Eisblock.»
    «Was du nicht sagst! Und wo, darf ich fragen, hast du das gehört? »
    «Heute morgen. Ich war auf dem Damenklo.»
    «Nun hör mich einmal an, Mädel», sagte Ebbs streng. «Das ist sehr unartig von dir, daß du da herumgehst und Dinge wiederholst, die du an - an gewissen Orten gehört hast.» Er fuchtelte mit dem Finger knapp vor ihrem Gesicht herum. «Hast du mich verstanden? Du darfst das auf keinen Fall noch jemand weitererzählen. Ich bin der Kapitän, und wenn es mir paßt, kann ich kleine Mädchen den Haifischen zum Fraß vorwerfen lassen.» Als er das sprach, wünschte er aufrichtig, dies wirklich tun zu können.
    Sie blickte schamerfüllt zu Boden, und zwei Tränen quollen über ihre Wangen. Ebbs war sofort von Reue erfaßt.
    «Aber, aber! Wein doch nicht, Mädelchen», sagte er. Als sie fortfuhr zu schluchzen, suchte er in seiner Rocktasche nach dem Halbkronen-Stück, das er für das Bingo aufbewahrt hatte. «Da hast du - jetzt geh dir beim Schiffsfriseur ein paar Süßigkeiten dafür kaufen.»
    «Danke schön», sagte sie spröde und umklammerte das Geldstück mit beiden Händen.
    Ebbs lächelte ihr nochmals zu und gab ihr einen zweiten freundlichen Klaps. Wie konnte man sie dafür tadeln, daß sie unschuldig einen ihr unverständlichen Klatsch nachplapperte? Er hatte das Gefühl, daß sein Glaube an die Menschheit durch den Kontakt mit dieser kleinen Unschuld wiederhergestellt worden war.
    «Nun lauf, Priscilla!» sagte er milde. «Leb wohl!» Er wandte sich seiner Kabine zu.
    Etwas traf ihn hart zwischen die Schulterblätter. Ein Klumpen Putzwolle, vollgesogen mit der Mennige des Bos'n, fiel klatschend zu Boden.
    «Du kleiner Teufel!» brüllte Ebbs.
    «Der Kapitän ist kalt, ist kalt, ist kalt! » sang sie, aufgeregt unter den Passagieren untertauchend, die wie kreischende Fledermäuse dem Speisesalon zustrebten.
    Ebbs starrte ihr nach - dann gab er alle Hoffnung

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