Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Rauchsalon?»
«Es ist üblich, daß der Kapitän in seiner Kabine empfängt...»
«Um so ehrender für mich. Nach dem Dinner also? Guten Morgen, Kapitän! »
«Guten Morgen, verehrte gnädige Frau...» Ebbs schneuzte sich laut zum drittenmal, und als er aufblickte, war Mrs. Judd entschwunden.
17
«Ein eichnes Herz sind unsre Schiffe!» sang Brigadier Broster lusterfüllt, als riefe er nach seinem Lunch. «Ein eichnes Herz sind unsre Jungs! Stets bereit mit frischem Mut! Ruhig Blut! Ruhig Blut! Laßt uns kämpfen, laßt uns siegen! Immer wieder... immer wieder! Immer wieder! Immer wie---ieder!»
Er verbeugte sich. Die Zuhörer drückten ihre Erleichterung durch Applaus aus.
Eine Woche war vergangen. Das Wetter war kühler geworden, die geselligen Fliegenden Fische tanzten in weniger dichten Schwärmen um den Bug der Charlemagne, und die Unterhaltungen an Bord näherten sich mit dem Schiffskonzert ihrem Höhepunkt. Brigadier Broster hatte darauf bestanden, als Impresario zu fungieren, und hatte ein Programm wie für die Nachmittagsvorstellung im Palladium zusammengestellt, in dem er selbst die Rolle des Stars übernahm. Nachdem ein halbes Dutzend Passagiere kurz hintereinander die vom Bos'n frisch gescheuerten Bretter des Bootsdecks betreten hatten, erschien Broster gewichtigen Schrittes vor dem mit allerlei Flaggen geschmückten Hintergrund, um die Darbietung in eigener Person allein zu Ende zu führen. Er hatte bereits Kartenkunststücke gezeigt, Balladen rezitiert, ein paar Geschichten über Iren und Schotten vorgetragen, ein hartgekochtes Ei in eine Billardkugel verwandelt, Vogelstimmen imitiert und das Lied «Was fangen wir mit dem beschwipsten Seemann an?» gesungen; laut Programm hatte er noch «Ein Spielmann bin ich auf Wanderschaft» und Rule Britannia zu bieten, bevor er vor der Nationalhymne kapitulierte.
Mrs. Judd, die mit Ebbs in der ersten Reihe der Decksessel saß, tippte ihm auf die Hand und flüsterte: «Glauben Sie, daß wir entschlüpfen können?»
Ebbs nickte. Schuldbewußt glitten sie von ihren Plätzen, während Broster seine Luftröhre durch Räuspern geräuschvoll für das nächste Lied präparierte.
«Ich plaudere um so vieles lieber mit Ihnen, William», sagte sie, lächelnd zu ihm aufblickend, als sie auf dem menschenleeren Deck gemächlich dahinschritten. «Um so vieles lieber!»
«Liebste Edith», erklärte Ebbs feierlich, «Sie sprechen mir ganz aus der Seele.» Er schneuzte sich laut.
Die letzten paar Tage hatte Ebbs einen belebenden Sturm von Gefühlen durchgemacht. Ein Schiff in heißen Zonen ist ein ausgezeichneter Brutkasten für Vertraulichkeiten, und während ihres ersten Zusammenseins in Ebbs' Kabine bei einem grünen Chartreuse hatte ihm Mrs. Judd binnen einer einzigen Stunde anvertraut, daß sie Edith heiße, die Witwe eines Tabakplantagenbesitzers in Rhodesia sei, zu ihrer Schwester nach Sydney ziehe, die sie seit fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen habe, Selyhams und lange Spaziergänge liebe, Bananen nicht ausstehen könne, kühles Wetter vorziehe, aber zu Frostbeulen neige und T. S. Eliot schauerlich finde. Gleichzeitig machte sie die Entdeckung, daß Ebbs leidenschaftlich gern Malakow-Torte aß, sich vor Fledermäusen fürchtete, einen Bruder besaß, der in Kanada ein böses Ende genommen hatte, und ein Mittel suchte, um auf See die weißen Kragen länger haltbar zu machen.
Am darauffolgenden Tag hatte Ebbs verblüfft feststellen müssen, daß der Zufall sie immer wieder aufeinanderstoßen ließ. Sooft er auf Deck erschien, stolperte er entweder über ihren Strecksessel oder traf sie zufällig beim Luftschöpfen just an der Reling vor seiner Kabine an. Am nächsten Abend erfuhr er, daß sie ihren Gatten eine Woche nach dem Bekanntwerden geheiratet hatte, an ihrem letzten Geburtstag zweiunddreißig Jahre alt geworden war, im Winter in Bettsöckchen schlafe, sich mit zwölf Jahren einer Blinddarmoperation hatte unterziehen müssen, Ebbs für den liebenswertesten Mann halte, dem sie je begegnet war, und bei Schönwetter die Strümpfe unterm Knie eingerollt trage. Ihr hingegen wurde kund, daß Ebbs einen eingewachsenen Zehennagel besitze, einst fast mit einer Neuseeländerin verlobt war, die ihn um eines Aucklander Schweineschlächters willen im Stich ließ, in den Tropen an Depressionszuständen leide, sie für die sympathischste Frau auf Erden halte, Flöte zu blasen pflege und Zwiebeln verabscheue.
«Wie schrecklich, daß wir so bald auseinandergehen
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