Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
müssen!» seufzte sie. Sie lehnten an jenem Teil der Reling, wo Priscilla die Mennige auf Ebbs geworfen hatte. Von achtern her drangen gedämpft die Klänge der letzten Auseinandersetzung mit Gilbert und Sullivan herüber.
    «Doch hoffentlich nicht für immer, meine Liebe», sagte Ebbs sinnend. «Schließlich bedeutet das Ende einer Reise keineswegs das Ende der Welt.»
    Sie starrte eine Weile auf die schattenhafte Farbnuance, die den Horizont bezeichnete.
    «Liebster William! » Sie ergriff seine Hand. «Aber was ist eigentlich mit Ihrer Frau und Ihrer Familie?»
    «Ach, meine Frau und meine Familie...»
    «Sie werden stets so - so bekümmert, wenn Sie von Ihnen sprechen.»
    «Wirklich?»
    «Ja, immer. Gibt's da - verzeihen Sie, William, es ist wahrscheinlich schrecklich vorlaut von mir und geht mich gar nichts an - aber gibt's da irgendwelche Schwierigkeiten?»
    Ebbs zuckte die Schultern. «Nur - nur in gewissen Punkten, sozusagen.»
    «Sie sieht aber auf der Fotografie ganz reizend aus.»
    «Finden Sie?»
    «Doch! Und Ihre Kinder! Ihr Empfang daheim muß doch etwas Wundervolles sein, wenn Sie lange unterwegs waren?»
    «Ja, wundervoll.»
    «Sehen die Kinder Ihnen oder ihr ähnlich?»
    «Haben Sie das Phosphoreszieren des Wassers bemerkt? In diesen Breitengraden bemerkenswert stark.»
    Sie seufzte abermals. «Ich glaube, es muß wirklich herzzerreißend sein, einen Seemann zum Gatten zu haben. Ihre Frau muß Ihnen manchmal wie eine Fremde Vorkommen.»
    «Wie eine Fremde.»
    «Und dann, wenn Sie unterwegs sind... Männer wie Sie, die auf Frauen so anziehend wirken...»
    «Oho, still, still!» protestierte Ebbs.
    «Aber es ist doch so! Ich meine es wirklich im Ernst. Sie könnten das Herz jeder Frau an Bord erobern - und sind auf mich verfallen», sagte sie mit schmeichelhafter Genugtuung.
    «Glauben Sie, daß jemand es schon bemerkt hat?» fragte Ebbs, von plötzlicher Angst ergriffen.
    «Ach nein! Keineswegs! »
    «Es wäre mir verhaßt, wenn darüber gesprochen würde. Und meine Position -»
    «Erzählen Sie mir alles über Ihre Familie», sagte sie sanft. «Und über Ihre Sorgen.»
    Eine Sekunde lang brachte das tropische Lüftchen, das lieblich in ihrem Kleid spielte, Ebbs in Versuchung, ihr die Wahrheit über Burtweeds Fotografie zu sagen. Dann aber veranlaßte ihn die alte Seefahrer-Vorsicht, die in seinem Unterbewußtsein lauerte und die ihn die Schiffe durch ungewisse Strömungen und Nebel sicher steuern ließ, statt dessen zu den Worten: «Das sind recht uninteressante Dinge.» Beifall am anderen Ende des Decks zeigte an, daß Broster ausgesungen hatte. «Wir sollten vielleicht zurückkehren. Ich glaube, es ist meine Pflicht, alle Darsteller zu einem Drink einzuladen.»
    «Aber wir können uns doch noch zu einem kleinen Schlaftrunk zusammensetzen? »
    Er tätschelte ihr die Hand. «Selbstverständlich, Edith!»
    «Ach, wie reizend! Dann kann ich Ihre Socken fertigstopfen.»
    Ebbs war ein einfacher Geselle, der seit seiner Desillusionierung durch den Aucklander Schlächterburschen keine Liebesaffäre mehr gehabt hatte; er glaubte, daß die Passagiere sein romantisches Abenteuer nicht bemerken würden. Aber die Chance, es zu übersehen, war ebenso gering, wie wenn eine grüngesprenkelte Seeschlange aus der Ladepforte des Bugs aufgetaucht wäre. Ebbs stolzierte auf dem Deck umher und verteilte sein Lächeln so verschwenderisch wie der Bos'n allmorgendlich das Meereswasser aus seinem Spritzenschlauch; im Salon führte er so forciert Konversation wie ein munterer Internatslehrer beim ersten Abendessen des Semesters. Er tätschelte den Kindern die Köpfe, half alten Damen beim Erheben aus den Strecksesseln und stellte sich sogar mit Brigadier Broster auf vertrauten Fuß, während jeden Morgen die Schiffsklatschbasen mit ihren scharfen Zungen seinen Charakter gründlich durchhechelten. Für die Offiziere bedeutete das Auftreten Mrs. Judds den ersten auftauenden Sonnenstrahl im Frühling. Ein gutgelaunter Kapitän vermag den verwahrlosesten Frachter in ein glückliches Heim zu verwandeln, ein verliebter Kapitän jedoch wirkt auf die Schiffsbesatzung wie eine Gehaltserhöhung. Ebbs begann den Maaten wohlwollend auf den Rücken zu klopfen, dachte nicht mehr an die Bleistifte im Navigationsraum, bat Jay, sich nicht zu überanstrengen, und riß sogar auf der Brücke Witze. Binnen kurzer Zeit war die Charlemagne zu einem der zufriedensten Schiffe auf hoher See geworden.
    Ein einziges Mitglied der Besatzung machte

Weitere Kostenlose Bücher