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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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auf.
    «Was, leergetrunken?» rief Ebbs überrascht. «Aber in diesem Cocktail-Ding gibt's noch eine Menge davon. Schenken Sie nach, und ich will Ihnen mein Geheimnis anvertrauen. Wollen Sie's erfahren? »
    Earnshawe schüttelte den Kopf. «Mag keine Geheimnisse hören. Dann brauch ich sie auch nicht bei mir zu behalten.»
    Ebbs kicherte. «Ich sag's Ihnen trotzdem. Ich hab ein Weibsbild in meiner Kabine gehabt. »
    «Oh, diese Weiber!» Earnshawe konnte nicht umhin, eine gewisse Redensart hinzuzufügen.
    «Aber sie ist nicht geblieben», lächelte Ebbs sinnend. «Jetzt wünsch ich mir fast, sie wär's. Wohin gehen Sie?» fügte Ebbs argwöhnisch hinzu, als Earnshawe sich erhob.
    «Hinunter. Wir tanken ja noch immer.»
    «Oh, wirklich? »
    «Ich würd mich an Ihrer Stelle niederlegen, Mensch.»
    «Ich bin aber gar nicht betrunken, hören Sie», erwiderte Ebbs, sorgfältig darauf bedacht, seine Stimme überzeugend klingen zu lassen. «Ich war nicht mehr besoffen seit... seit... seit dem Karfreitag letztes Weihnachten.»
    «Ich würd mich aber trotzdem niederlegen.»
    «Wiedersehn, alter Knabe! Sind ein verdammt guter Saufbruder. Verdammt gut. Ein verdammt guter Saufbruder.»
    Sie schüttelten einander leidenschaftlich die Hand und schlugen sich eine Minute oder länger gegenseitig auf den Rücken.
    «Wiedersehn, Chief, alter Knabe! »
    «Wiedersehn, Käpt'n!»
    Als Ebbs allein war, holte er sich eine neue Flasche aus dem Barschrank und schenkte sich abermals ein. Als er sah, wie der Whisky sich über den Tisch ergoß, tauchte ein leises Schuldgefühl in ihm auf, verflüchtigte sich jedoch sofort in seinem Dusel. Das Leben schien ihm plötzlich aus eitel Glück zu bestehen. Er begann zu singen.
    Vom Bootsdeck, unmittelbar unter seiner offenen Kabinentür, blickte Mrs. Judd verärgert empor. Sie hatte Ebbs' Vorliebe für leere und stille Decks geteilt, denn sie war eine warmherzige Frau, die an Bord automatisch den Posten des guten Kameraden ausfüllte. Wer immer den Wunsch hatte, ein Kleidungsstück ausbessern, ein Baby bewachen, sich trösten oder in Liebesabenteuer verstricken zu lassen, kam ohne Zögern zu Mrs. Judd gelaufen. Nun hatte sie sich dem schändlichen Luxus ergeben, sich in einem Strecksessel niederzulassen, der seit Gibraltar von einer grimmig um sich blickenden Generalsgattin mit Beschlag belegt war, und genoß ein paar Stunden lang die Aussichtslosigkeit, die vierte beim Bridge, die Märchentante der Kinder, die Begleiterin einer Altistin (der Glanznummer im bevorstehenden Schiffskonzert) oder die Dolmetscherin eines dummen Mädels bei den nur zu deutlichen Absichten eines Galans abgeben zu können. Und jetzt hatte irgendein idiotischer Matrose durch sein Grölen auf der Brücke die Ruhe zerstört.
    Das Lied brach ab. Ebbs erschien auf der Schwelle.
    «Guten Tag, Kapitän!» sagte sie lächelnd. Sie mochte Ebbs, dessen ungepflegtes Äußeres und verzweifelt durchhaltendes gutes Benehmen in jeder gutherzigen Frau mütterliche Instinkte wachriefen.
    «Madam! » rief er. Er begrüßte sie mit einer schwungvollen Geste.
    Er klammerte sich an das Geländer, stieg vorsichtig die Leiter hinab und grüßte nochmals.
    «Ergebener Diener», sagte er. «Ist es erlaubt, Platz zu nehmen?»
    «Selbstverständlich, Kapitän! »
    Er ließ sich neben ihr in einem Sessel nieder.
    «Sehr ruhig ist's auf dem Schiff, nicht wahr?» sagte sie.
    «Wir sind ganz allein», sprach Ebbs feierlich.
    «Aber, Kapitän!» begann sie zu lachen. «Sie haben ja keine Schuhe an!»
    Ebbs blickte überrascht auf seine Füße.
    «Na so was!» rief er aus. Er wandte sich zu ihr und sah ihr starr ins Auge. «Ich hab ein höllisches Leben», sagte er. «Ein höllisches Leben. Niemand mag mich. Niemand schert sich einen Dreck um den armen alten Ebbs. Niemand würde es was ausmachen, wenn ich tot und begraben wär.» Zwei Tränen liefen auf seine vorstehenden Backenknochen zu und tropften schwer über deren Rand.
    «Aber, mein lieber Kapitän!» sagte sie. Sie lachte von neuem. «Ich glaube gar, Sie haben ein bißchen getrunken. »
    «Ich bin ein besoffenes Vieh», erklärte Ebbs mit einigem Stolz.
    «Na, Sie haben wohl ein Recht, es zu sein.»
    «Sie verstehn mich, nicht wahr?» fragte Ebbs in tiefem Ernst. «Sie werden mir ein nettes Wort sagen? Lassen Sie mich Ihre Hand halten! Wo ist sie denn? Ach, danke, Madam. Danke vielmals! Ich brauche Freundlichkeit! Niemand ist jetzt freundlich zu mir.» Er warf ihr einen tragischen Blick zu und

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