Käptn Snieders groß in Fahrt
„sonst vergrelle ich mir meine Lisabeth, die hat den Tisch bestimmt schon gedeckt. Tschüß, ihr beiden, bis gleich!“
Damit ging er.
Frau Furken kleidete Johann rasch an. Sie holte seine Sonntagshose und einen fast neuen Pullover aus dem Schrank, und dann schärfte sie ihm ein, wie er sich in der Schule zu benehmen hätte. „Immer schön auf deinem Platz bleiben, hörst du? Wenn du etwas willst, hebst du die rechte Hand hoch“, sagte sie, „dann weiß Käpten Snieders Bescheid.“
„Dieße?“ fragte Johann und streckte die linke in die Höhe. „Nein, du Döskopp, die andere! Ja, die. Klara, putz ihm immer schön die Nase, hier hast du ein Taschentuch. Und frag ihn rechtzeitig, ob er mal ’raus muß!“
Alles bedachte die junge Mutter, alles!
Nur Lott vergaß sie, Lott, den Hund, der Johann zu retten versucht hatte. Der wollte nämlich, wie es seine Gewohnheit war, dem Kleinen nachlaufen, um ihn zu beschützen und mit ihm zu spielen. Und seine treue Hundeseele verstand nicht, weshalb er heute nicht mit Johann auf die Straße sollte. Er hielt das Ganze für einen Irrtum und setzte sich darum mit einem Sprung durch das offene Fenster darüber hinweg. Dann trottete er zufrieden neben seinem kleinen tapsigen Herrn her und winkte der überraschten Frau Fur-ken mit seinem langen Schwanz ein letztes Lebewohl zu. Johann war mit Lotts Begleitung einverstanden. Er hielt ihn am Halsband fest und erzählte allen Kindern, die sich ihnen unterwegs zugesellten, daß er jetzt auch in die Schule gehe. Klara sorgte dafür, daß Käpten Snieders’ Rettungstat die nötige Verbreitung erfuhr. Daher wußten die Schüler, noch bevor der Unterricht begann, was gestern geschehen war.
Käpten Snieders machte sich um zehn vor acht auf den Weg zu seiner neuen Wirkungsstätte. Die von Heini Brackwede so vortrefflich zensierten Aufsätze hatte er unterm Arm.
An der Schultür traf er einen weinenden kleinen Jungen, einen kläffenden Hund und eine keifende Frau.
Der Junge war Johann, der Hund Lott und die Frau Ruth Besenhoff. Johann weinte, weil die Frau seinen Hund nicht in die Schule lassen wollte. Lott kläffte, weil jemand mit einem langen Besen recht unfreundlich vor seiner Schnauze herumfuchtelte. Ruth Besenhoff keifte, weil sie, wie sie sich ausdrückte, keine „Zustände“ in ihrer Schule einreißen lassen wollte.
Der alte Kapitän durchschaute die Sachlage mit einem Blick. Ohne sich um Frau Besenhoff zu kümmern, ging er auf den kleinen Johann zu und fragte ihn: „Ist das dein Hund?“ Und als der Junge nickte: „Will er auch zur Schule?“ Wieder ein Nicken. „Gut, dann darf er mit. Aber sag ihm, daß er sich auf der Matte die Füße abtreten muß, damit diese freundliche Dame hier nicht in Ohnmacht fällt, ’rein mit euch!“
Frau Besenhoff rang nach Luft.
„Das ist denn doch...!“ stieß sie fassungslos aus.
Käpten Snieders sah sie fest an.
„Was ist das denn doch, Mudder Besenhoff? Fehlen dir die Worte? Dann will ich dir helfen. Das ist denn doch gut und in Ordnung, daß die Schule für die Kinder da ist und nicht für eine überkandidelte ,Pflegedame', wie du eine bist! Weiter ist das doch wohl gut und richtig, daß der Lehrer hier die Anordnungen trifft, nicht? Und der Lehrer dieser Schule bin ich. Merk dir das, wenn wir Freunde bleiben wollen!!“
Damit stampfte er an der Frau vorbei und warf die Tür ins Schloß.
Die Putzfrau hob den Besen auf, der ihr aus der Hand gefallen war, und knurrte wie ein getretener Hund: „Du und Lehrer! Daß ich nicht lache! Wenn der arme Herr Heinecke sehen könnte, was du aus unserer Schule machst, würde er vor Kummer gar nicht wieder gesund werden. Sind wir hier vielleicht ein Kindergarten? Oder ein Tierheim?“
Sie nahm den Besen wie ein Gewehr über die Schulter und verschwand in Richtung auf die Toiletten, immer noch vor sich hin schimpfend.
Korrektur mit Hindernissen
In der Klasse hatte inzwischen der Unterricht begonnen. Klara Furken hatte ihren Platz mit Joachim Pinkel getauscht und saß nun ganz hinten an backbord. Ihr Bruder war neben ihr einquartiert worden. Lott saß an seiner Seite, zum Greifen nahe, bereit, seinen kleinen Schützling gegen jeden Angreifer zu verteidigen. Die Kinder fanden es natürlich wunderbar, einen Hund in der Klasse zu haben. Und auch den kleinen Johann duldeten sie gern, zumal er durch sein schlimmes Erlebnis ein interessantes Kind geworden war.
Käpten Snieders saß hinter dem Pult, hatte die Aufsätze vor sich
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