Kaeufliche Liebe Band 2
seinen Partner nicht, auch wenn ich Harry nicht als solchen betrachte.
Auf dem Straßenstrich ist noch nichts los. Es ist erst acht Uhr abends, gegen zehn werden die ersten Jungs auftauchen. Ich atme auf und fahre durch die heruntergekommene Gegend Hammerbrooks, an die sich der nicht minder benachteiligte Stadtteil Rothenburgsort anschließt. Überall leere Läden und Unrat am Straßenrand.
„Mist“, murmelt Harry und massiert sich ungeniert den Schritt.
Ich gucke nach vorn und bin froh, dass mein Abendessen schon über eine Stunde zurückliegt, sonst würde es mir jetzt hochkommen. Gelangweilt drehe ich Runde um Runde, es ist ruhig für einen Sonntagabend. Das ‚Gay-dance-total‘ ist noch immer geschlossen, wahrscheinlich tummeln sich jetzt die Schwulen im ‚goldenen Hirsch‘.
Gegen zehn Uhr steuere ich erneut den Straßenstrich an, obwohl ich dabei heute ein merkwürdiges Gefühl habe. Ein paar Jungs hängen dort herum und laufen weg, als ich das Fahrzeug an den Bordstein lenke. Harry verlässt erstaunlich behände den Wagen und macht sich an die Verfolgung, während ich ihm langsam hinterhergehe.
Es ist immer das Gleiche: er stellt ein paar der Kerle, lässt sich ihre Papiere zeigen und findet immer einen, der sich illegal hier aufhält. Der darf sich dann bücken, dafür sieht Harry großzügig darüber hinweg.
Mein Kollege hat einen der Stricher erwischt und hält ihn am Arm fest, während er sich den Personalausweis zeigen lässt. Anscheinend ist der in Ordnung, denn Harry runzelt ungehalten die Stirn. Ich bin inzwischen so nah an den beiden dran, dass ich hören kann, wie der Kollege sagt: „Ist mir egal. Du wirst dich für mich bücken, sonst reiße ich dir bei nächster Gelegenheit den Arsch ganz auf.“
Der Stricher, ein junger Kerl mit braunen Locken und hübschem Gesicht, verzieht angewidert den Mund, wirft mir einen hilfesuchenden Blick zu und schüttelt stumm den Kopf. Irgendwas rührt der Kerl in mir an, ich fühle, wie die Wut in mir hochbrodelt. Harry bringt das Fass dann endgültig zum Überlaufen, als er den Kleinen unsanft in Richtung der nächsten Büsche bugsiert und zischt: „Ich fick dich jetzt, ob du willst oder nicht.“
„Harry, hör auf“, rufe ich, und gehe schneller.
„Verpiss dich, das hier ist meine Sache“, knurrt der Arsch und dreht dabei dem Kerl den Arm auf den Rücken.
„Lass den Jungen los“, sage ich, jetzt bei den beiden angekommen und nach meiner Dienstwaffe tastend.
„Ach, willst du mich erschießen?“, höhnt Harry.
„Nein, nur anschießen, wenn du es drauf anlegst.“
„Dann mach doch“, knurrt mein Kollege und schubst den Kleinen weiter.
„Verdammt, hör endlich auf“, brülle ich jetzt laut und packe seinen Arm.
Harry ist ein fetter Sack, aber sehr flink. Seine Faust landet in meinem Magen. Ich klappe zusammen und bekomme für einen Moment keine Luft mehr. Der Kollege grinst und wendet sich wieder dem Kleinen zu, der mit aufgerissenen Augen zugeschaut hat. Ich komme hoch, greife Harrys Schulter und verpasse ihm einen rechten Haken, nachdem ich ihn herumgeworfen habe. Er taumelt und reibt sich das Kinn, während ich nach meinem Funkgerät greife und Verstärkung anfordere.
Kurzum: die eintreffenden Kollegen müssen mich und Harry trennen. Wir haben uns in eine handfeste Schlägerei verwickelt, die keiner von uns freiwillig aufgibt. Es kommt zu einer umfangreichen Razzia unter den Strichern, die sich aus ihren Löchern getraut haben um unseren Kampf zu beobachten.
Da an diesem Standort Prostitution zwar geduldet, jedoch nicht erlaubt ist, werden alle Jungs aufs Revier gebracht, um ihre Personalien zu überprüfen. Mein Freund Yussuf wartet schon als wir auf der Wache eintreffen. Er ist Sozialarbeiter und kümmert sich um die männlichen Prostituierten in Hamburg, außerdem spielen wir zusammen Fußball.
Seine Miene verzieht sich, als er meine ramponierte Visage sieht. Er hebt die Augenbrauen und mustert Harry, der auch ein paar hübsche Verletzungen davongetragen hat.
„Manno-Mann, ihr seid echte Spinner“, murmelt er, zwinkert mir zu und begibt sich zu den Strichern.
Ich trotte hinter Harry her zu dem Büro, in dem uns unser wutschnaubender Chef erwartet. Die Ansprache erspare ich dem geneigten Leser. Wir entgehen beide nur knapp einer Suspendierung, wobei Harrys Dienstjahre eine entscheidende Rolle spielen. Bei mir ist es heikler. Mein Chef verdonnert mich, einen der obdachlosen Stricher bei mir aufzunehmen und ihn von der
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