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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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lebten wie in einem vollendeten Kreis. Alles innerhalb dieses Kreises war vollkommen. Aber natürlich konnte das so nicht ewig bleiben. Wir wurden erwachsen, die Zeiten änderten sich. Der Kreis wurde hier und da porös, Dinge von außen drangen in unser Paradies ein und Dinge von innen drängten nach außen. Das ist ganz natürlich. Damals allerdings fand ich das überhaupt nicht natürlich. Um dieses Eindringen und Austreten zu verhindern, schob ich den Eingangsstein beiseite und öffnete den Eingang. Wie ich das gemacht habe, weiß ich heute nicht mehr. Ich wollte ihn jedoch um jeden Preis öffnen, damit ich meinen Liebsten nicht verlor und damit unsere Welt von dem, was von außen kam, nicht zerstört wurde. Was das bedeutete, konnte ich damals nicht ermessen. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich dafür bitter bezahlt habe.«
    Sie brach ab, nahm den Füller in die Hand und schloss die Augen.
    »Für mich war das Leben mit zwanzig zu Ende. Alles, was danach kam, war nicht mehr als eine sich endlos dahinziehende Folge von Tagen. Mein Leben war wie ein langer, düsterer, gewundener Korridor, der nirgendwo hinführt. Dennoch musste ich weiterleben, indem ich einen leeren Tag nach dem anderen hinter mich brachte. Ich habe viele Irrtümer begangen. Oder nein, offen gesagt, habe ich sogar fast nur Fehler gemacht. Ich zog mich völlig in mich zurück. Es war, als lebte ich ganz allein auf dem Grund eines tiefen Brunnens. Ich hasste und verfluchte alles, was draußen war. Einmal bin ich hinausgegangen und habe so getan, als ob ich lebte. Ich akzeptierte alles und ging völlig gefühllos durch die Welt. Ich schlief auch mit vielen Männern. Irgendwann heiratete ich sogar. Aber all das hatte keine Bedeutung für mich. Alles war im Augenblick vorüber, und nichts blieb nachher davon übrig außer den zahllosen Narben, die meine Verachtung und meine Verwüstungen hinterlassen haben.«
    Sie legte die Hände auf die drei auf dem Schreibtisch gestapelten Ordner.
    »Diese Ereignisse habe ich in allen Einzelheiten zu Papier gebracht, um mit mir selbst ins Reine zu kommen. Ich wollte mich noch einmal der Dinge vergewissern, die meine Person und mein Leben zu dem gemacht haben, was sie sind. Natürlich kann ich niemandem einen Vorwurf machen außer mir selbst, aber es war eine schwere und quälende Aufgabe. Nun habe ich sie endlich zu Ende gebracht und brauche die Aufzeichnungen nicht mehr. Ich will jedoch nicht, dass jemand anderer sie liest. Dadurch würde vielleicht nur neuer Schaden entstehen. So wollte ich Sie bitten, sie irgendwo zu verbrennen. So, dass nichts davon übrig bleibt. Wäre es möglich, dass Sie, Herr Nakata, das für mich tun? Außer Ihnen habe ich niemanden, den ich fragen könnte. Meine Bitte ist sehr egoistisch, aber würden Sie es trotzdem tun?«
    »Schon verstanden«, sagte Nakata und nickte mehrmals heftig.
    »Wenn das Ihr Wunsch ist, wird Nakata alles restlos verbrennen. Seien Sie ganz beruhigt.«
    »Danke«, sagte Frau Saeki.
    »Schreiben ist etwas Wichtiges, ja?«, fragte Nakata.
    »Ja, schon. Doch das Geschriebene in seiner fertigen Form ist für mich bedeutungslos.«
    »Nakata kann nicht lesen und schreiben, deshalb kann er auch nichts aufschreiben«, sagte Nakata. »Nakata ist wie die Katzen.«
    »Herr Nakata?«
    »Ja, bitte?«
    »Ich habe das Gefühl, Sie schon sehr lange zu kennen«, sagte Frau Saeki. »Sind Sie nicht auf jenem Bild?. Im Hintergrund am Strand? Die Person, die mit aufgekrempelter weißer Hose im Wasser steht?«
    Nakata erhob sich ruhig von seinem Stuhl und stand nun vor dem Schreibtisch. Er legte seine raue, sonnenverbrannte Hand auf ihre Hand, die auf den Ordnern ruhte. Und nahm, als würde er angespannt lauschen, ihre Wärme mit seiner eigenen Handfläche auf.
    »Saeki-san?«
    »Ja.«
    »Nakata versteht ein bisschen.«
    »Was denn?«
    »Was Erinnerungen sind. Durch Ihre Hand kann Nakata sie auch spüren.«
    Frau Saeki lächelte. »Wie schön«, sagte sie.
    Lange ließ Nakata seine Hand auf der ihren ruhen. Bald schloss Frau Saeki die Augen und versank langsam in ihren Erinnerungen. Es gab dort keinen Schmerz mehr. Jemand saugte den Schmerz in die Ewigkeit ein. Der Kreis schloss sich wieder. Sie öffnete die Tür zu einem fernen Zimmer, an dessen Wand sie gleich schlummernden Eidechsen zwei wunderschöne Akkorde erblickte. Sacht berührte sie die Eidechsen mit dem Finger. Sie konnte ihren friedlichen Schlummer erspüren. Eine leichte Brise wehte, sie merkte es daran, dass der

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