Kafka am Strand
verbrannt waren, zertrat Hoshino die verkohlten Reste zu Asche. Der nächste kräftige Windstoß würde sie fein säuberlich überall verstreuen. Langsam wurde es Abend, die Krähen suchten schon ihre Nester auf.
»So, alter Freund, das Manuskript kann jetzt niemand mehr lesen«, sagte der junge Hoshino. »Ich weiß ja nicht, was darin stand, aber jedenfalls haben wir alles sauber beseitigt. Ein Ding mit einer Form weniger auf der Welt. Dafür ist das Nichts jetzt ein bisschen mehr geworden.«
»Herr Hoshino?«
»Was ist?«
»Nakata hat eine Frage.«
»Schieß los.«
»Was heißt: das Nichts ist mehr geworden?«
Hoshino legte den Kopf schräg und überlegte einen Moment.
»Schwierige Frage«, sagte er. »Das Nichts wird mehr. Was ins Nichts zurückkehrt, wird letztendlich zu null, und null plus null gibt wieder null.«
»Nakata versteht das nicht.«
»Ich verstehe es auch nicht richtig. Wenn ich anfange, über so etwas nachzudenken, kriege ich Kopfschmerzen.«
»Dann hören Sie lieber auf.«
»Ist mir auch lieber«, sagte Hoshino. »Jedenfalls ist das Manuskript ganz verbrannt, und die Worte darin sind restlos verschwunden. Ins Nichts zurückgekehrt – das wollte ich nur sagen.«
»Jawohl. Nakata ist auch erleichtert.«
»Nun, damit sind deine Aufgaben hier wohl erledigt, oder?«, fragte Hoshino.
»Jawohl. Fast alles erledigt. Jetzt müssen wir nur noch den Eingang wieder schließen«, sagte Nakata.
»Das ist wichtig, nicht wahr?«
»Jawohl, sehr wichtig. Was offen ist, muss wieder geschlossen werden.«
»Dann machen wir uns mal gleich an die Arbeit. Was du heute kannst besorgen …«
»Herr Hoshino.«
»Hm?«
»Das geht nicht.«
»Wieso nicht?«
»Weil die Zeit noch nicht gekommen ist«, sagte Nakata. »Wir müssen auf die Zeit warten, in der der Eingang geschlossen wird. Vorher muss Nakata noch einmal lange schlafen. Nakata ist schrecklich müde.«
Der junge Mann guckte ihn an. »Herrje, ratzt du jetzt wieder mehrere Tage durch?«
»Jawohl. Genau kann Nakata es nicht sagen, aber es könnte so kommen.«
»Könntest du nicht vorher noch kurz aufbleiben und die Sache zu Ende bringen? Wenn du einmal auf Schlaf umgeschaltet hast, geht ja gar nichts mehr.«
»Herr Hoshino?«
»Was?«
»Entschuldigen Sie. Wenn Nakata könnte, würde er auch gern vorher den Eingang wieder schließen. Aber leider muss Nakata zuerst schlafen. Er kann seine Augen nicht mehr offen halten.«
»Das ist, als wäre die Batterie alle, oder?«
»Vielleicht. Es hat länger gedauert als erwartet. Nakatas Kraft geht zu Ende. Würden Sie ihn bitte irgendwohin bringen, wo er schlafen kann?«
»Klar. Wir nehmen ein Taxi und fahren ins Apartment zurück. Und dann kannst du schlafen wie ein Stein!«
Sie saßen kaum im Taxi, als Nakata schon anfing zu dösen.
»Alter Freund, sobald wir in der Wohnung ankommen, kannst du schlafen, soviel du willst. Du musst nur noch ein ganz kleines Weilchen durchhalten.«
»Herr Hoshino?«
»Hm?«
»Nakata macht Ihnen so viele Umstände«, nuschelte Nakata.
»Stimmt, kommt mir auch so vor«, gab Hoshino zu. »Aber wenn ich es mir recht überlege, bin ich ja schließlich freiwillig mitgekommen. Also habe ich mir das alles auch selber eingehandelt. Hat mich schließlich niemand darum gebeten. Das ist so ähnlich, als wenn einer Schneeschippen als Hobby hätte. Mach dir keine Gedanken, alter Freund. Sei ganz unbesorgt.«
»Ohne Herrn Hoshino hätte Nakata nicht ein noch aus gewusst. Und nicht einmal die Hälfte von der Aufgabe geschafft.«
»Das rührt den alten Hoshino.«
»Nakata ist sehr dankbar.«
»Aber, weißt du was, Nakata?«
»Jawohl?«
»Auch ich hab dir zu danken.«
»Wirklich?«
»Wir sind jetzt zehn Tage zusammen unterwegs«, sagte Hoshino.
»Die ganze Zeit habe ich die Arbeit geschwänzt. Für die ersten Tage habe ich mich noch bei meiner Firma abgemeldet, dann einfach blaugemacht. Wahrscheinlich kann ich gar nicht mehr an meinen alten Arbeitsplatz zurück. Oder vielleicht würden sie mir auch noch mal Pardon geben, wenn ich mich kniefällig entschuldige. Ist auch egal. Ich will mich ja nicht selber loben, aber ein guter, fleißiger Fahrer wie ich findet sowieso immer wieder eine Stelle. Darum mache ich mir keine Sorgen, und du sollst dir auch keine machen. Auf alle Fälle bereue ich nichts. In den letzten zehn Tagen habe ich so viele seltsame Dinge erlebt. Es hat Blutegel geregnet, Colonel Sanders ist aufgetaucht, ich habe mit einer unvergleichlichen Schönheit
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