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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ist und das Bild an der Wand betrachtet hat. Also Saeki-san, als sie fünfzehn war. Sie trägt dasselbe langärmlige hellblaue Kleid wie damals. Nur dass ihr Haar jetzt von einer Spange gehalten wird. Als sie mich sieht, lächelt sie leicht und warm. Ich spüre ein heftiges Schwanken, als würde die mich umgebende Welt sich grundlegend verwandeln. Alles, was eine Form hat, zerfällt in tausend Teile und nimmt dann wieder Gestalt an. Aber das Mädchen dort ist keine Illusion und auch kein lebendiger Geist. Sie ist ein Mädchen aus Fleisch und Blut, das man berühren kann. Es ist Abend, sie steht in einer wirklichen Küche und macht ein wirkliches Abendessen für mich. Sie hat kleine knospende Brüste, und ihr Hals ist weiß wie frisch gebranntes Porzellan.
    »Ah, du bist aufgewacht«, sagt sie.
    Ich bringe keinen Ton heraus. Ich muss mich erst wieder sammeln.
    »Du hast ganz fest geschlafen«, sagt sie. Dann wendet sie sich wieder ab und probiert noch einmal das Gericht. »Wenn du jetzt nicht aufgewacht wärst, hätte ich dir einfach das Essen dagelassen.«
    »Ich hatte nicht vor, so lange und tief zu schlafen.«
    »Das war, weil du aus dem Wald gekommen bist«, sagt sie. »Hast du Hunger?«
    »Ich weiß nicht genau. Aber ich glaube.«
    Ich würde sie gern anfassen. Nur um zu prüfen, ob man sie wirklich mit den Händen berühren kann. Natürlich geht das nicht. Wie angewurzelt stehe ich da und starre sie an. Ich lausche auf die Geräusche, die die Bewegungen ihres Körpers hervorrufen.
    Sie schöpft den heißen Eintopf auf einen weißen Teller ohne Dekor und stellt ihn auf den Tisch. Eine tiefe Schüssel mit grünem Salat und Tomaten folgt. Dann ein großes Brot. Der Eintopf enthält Kartoffeln und Karotten. Sein Duft erinnert mich an früher. Als ich seinen Duft einziehe, merke ich, wie hungrig ich bin. Ich muss unbedingt meinen leeren Magen füllen. Während ich mit Gabel und Löffel, beide alt und abgewetzt, meinen Eintopf esse, setzt sie sich in einiger Entfernung auf einen Stuhl und schaut mir beim Essen zu. Dabei macht sie ein ernsthaftes Gesicht, als handele es sich um einen wichtigen Teil ihrer Arbeit. Mitunter glättet sie sich das Haar.
    »Ich habe gehört, du bist fünfzehn«, sagt sie.
    »Hm«, sage ich, während ich mir ein Brot mit Butter bestreiche.
    »Ich bin erst vor kurzem fünfzehn geworden.«
    »Ich bin auch fünfzehn«, sagt sie.
    Ich nicke. Weiß ich, will ich schon hinzufügen, aber das wäre verfrüht. Also halte ich den Mund und esse.
    »Ich mache hier schon seit einer Weile das Essen. Ich putze und wasche auch. In der Kommode im Schlafzimmer sind Sachen zum Anziehen, die kannst du benutzen, wenn du willst. Wenn du deine Wäsche in den Korb legst, erledige ich sie für dich.«
    »Wer hat dir denn diese Aufgaben zugeteilt?«
    Sie starrt mich an und antwortet nicht. Meine Frage wird in den namenlosen Raum gesaugt, als wäre sie in eine falsche Leitung gerutscht, und verschwindet.
    »Wie heißt du?« Ich versuche es mit einer anderen Frage.
    Sie schüttelt leicht den Kopf. »Wir haben keine Namen. Wir brauchen hier keine.«
    »Aber wenn du keinen Namen hast, kann ich dich doch gar nicht rufen.«
    »Du brauchst mich nicht zu rufen«, sagt sie. »Wenn du mich brauchst, bin ich da.«
    »Wahrscheinlich brauche ich hier auch keinen Namen, oder?«
    Sie nickt. »Du bist eben du, es gibt keinen anderen, der das ist. Du bist doch du?«
    »Ich glaube schon«, sage ich. Aber so ganz davon überzeugt bin ich nicht. Bin ich wirklich ich? Sie sieht mich an.
    »Erinnerst du dich an die Bibliothek?«, wage ich mich vor.
    »Die Bibliothek?« Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Die Bibliothek ist weit. An einem Ort, der sehr weit von hier entfernt liegt. Aber nicht hier.«
    »Aber es gibt eine Bibliothek?«
    »Allerdings stehen in dieser Bibliothek keine Bücher.«
    »Wenn keine Bücher darin stehen, was denn dann?«
    Sie antwortet nicht, sondern legt nur den Kopf leicht schräg. Wieder gerät meine Frage in die verkehrte Leitung und wird geschluckt.
    »Warst du schon mal dort?«
    »Vor langer Zeit«, sagt sie.
    »Aber nicht, um Bücher zu lesen?«
    Sie nickt. »Weil es dort ja keine Bücher gibt.«
    Nun löffele ich eine Weile wortlos meinen Eintopf, esse Salat und Brot. Auch sie sagt nichts und schaut mir mit unverändert ernstem Blick beim Essen zu.
    »Wie hat es dir geschmeckt?«, fragt sie, als ich fertig bin.
    »Wirklich gut. Sehr gut.«
    »Obwohl kein Fleisch und kein Fisch dabei war?«
    Ich deute auf den

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