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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Entwicklung von chemischen Waffen, Giftgasen und biologischen Waffen durch. Diese würden jedoch in der Hauptsache von Spezialeinheiten auf dem chinesischen Festland vorgenommen und nicht in Japan selbst, da die Gefahren in einem so dichtbevölkerten Land einfach zu groß seien. Ob solche Waffen in Japan lagerten, könne er uns nicht eindeutig sagen. Versichern könne er uns jedoch, dass es zumindest in der Präfektur Yamanashi keine gebe.
     
    Der Militärarzt behauptete also, Spezialwaffen wie Giftgas würden in Yamanashi nicht gelagert?
     
    Ja. Seine Aussage war eindeutig und klang glaubwürdig. Ferner kamen wir zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit eines Giftgasabwurfs durch eine amerikanische B-29 ebenfalls sehr gering war. Selbst wenn die Amerikaner eine derartige Waffe entwickelt und beschlossen hätten, sie einzusetzen, hätten sie das doch bestimmt über einer Großstadt getan, um eine größtmögliche Wirkung zu erzielen. Bei einem Abwurf über einem so abgelegenen Berg hätten sie ja nicht einmal das Resultat überprüfen können. Außerdem wäre ein Giftgas, durch das ein paar Kinder zwei Stunden lang ohnmächtig werden und das sonst keinerlei Spuren hinterlässt, wohl kaum militärisch relevant gewesen.
    Überdies war unseres Wissens weder ein von Menschen hergestelltes noch ein natürliches Giftgas bekannt, das keinerlei körperliche Nachwirkungen hinterlässt. Bei Kindern, die ja im Vergleich zu Erwachsenen über geringere Abwehrkräfte verfügen, hätte sich zumindest irgendeine Auswirkung auf Augen und Schleimhäute feststellen lassen müssen. Die Aufnahme eines Giftes über die Nahrung ließ sich aus den gleichen Gründen ausschließen.
    Demnach kam nur ein psychisches oder ein neurologisches Problem in Betracht. Falls die Bewusstlosigkeit auf derartige Faktoren zurückzuführen war, war es natürlich praktisch unmöglich, den Fall mit Hilfe der inneren oder äußeren Medizin zu erforschen. Solche Spuren sind unsichtbar und lassen sich nicht in Zahlenwerten ausdrücken. Damit war uns natürlich klar, warum das Militär uns hinzugezogen hatte.
     
    Wir befragten alle betroffenen Kinder sowie die verantwortliche Lehrerin und den später herbeigerufenen Arzt. Auch Dr. Toyama war bei diesen Gesprächen anwesend, aus denen sich jedoch kaum neue Anhaltspunkte ergaben. Im Grunde bestätigten sie nur, was der Militärarzt uns bereits dargelegt hatte. Die Kinder hatten keinerlei Erinnerung an den Vorfall. Sie hatten sehr hoch am Himmel so etwas wie ein glänzendes Flugzeug gesehen, waren anschließend den »Reisschalenberg« hinaufgestiegen und hatten begonnen, im Wald Pilze zu suchen. Damit riss ihre Erinnerung ab. Als nächstes erinnerten sie sich, wie sie, umringt von ihrer aufgeregten Lehrerin und den Polizisten, auf dem Boden lagen. Ihnen war nicht schlecht, und es tat ihnen auch nichts weh. Sie fühlten sich nicht einmal unwohl, nur ein wenig benommen im Kopf, wie wenn man morgens aufwacht. Mehr nicht. Alle Kinder machten die gleichen Angaben.
    Nachdem wir die Befragung beendet hatten, zogen wir natürlich auch die Möglichkeit einer Gruppenhypnose in Betracht. Die Symptome, die die Lehrer und der Schularzt während der Bewusstlosigkeit der Kinder beobachtet hatten, ließen diese Hypothese keineswegs abwegig erscheinen. Regelmäßige Bewegung der Augäpfel, Verminderung von Atmung, Herzschlag und Temperatur, Gedächtnislücken. Alles war einigermaßen stimmig. Dass die Lehrerin als einzige nicht das Bewusstsein verloren hatte, war möglicherweise darauf zurückzuführen, dass der Auslöser der Hypnose aus irgendeinem Grund bei Erwachsenen nicht zur Wirkung kam.
    Was dieser Auslöser hätte sein können, ließ sich nicht definieren. Im allgemeinen geht man davon aus, dass für eine Gruppenhypnose zwei Faktoren ausschlaggebend sind: erstens die starke Homogenität einer Gruppe unter ganz bestimmten, eingeschränkten Bedingungen und zweitens ein direkter Auslöser, dem alle Mitglieder der Gruppe gleichzeitig ausgesetzt sein müssen. In diesem Fall hätte es zum Beispiel das Aufblitzen des flugzeugähnlichen Gegenstands sein können, den die Kinder sahen, bevor sie in den Wald gingen – etwas, das alle gleichzeitig wahrgenommen hatten. Kurz darauf hatten die Ohnmachten eingesetzt. Das ist natürlich rein hypothetisch, und auch jeder andere, nicht erkennbare Auslöser käme in Frage. Jedenfalls wies ich Dr. Toyama mit der Einschränkung, dass es sich um eine reine Hypothese handele, auf die

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