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Kains Erben

Kains Erben

Titel: Kains Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Lyne
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zurückkehren darf. In die Wärme, die du mir geschenkt hast. In den Frieden.«
    Sie kämpfte beim Schreiben mit den Tränen, weil sie sich nach der Geborgenheit in Vyves’ Armen so sehr sehnte und kaum Hoffnung hatte, sie jemals wiederzufinden.
    Eines Abends ging ihnen das Wasser zum Kochen aus, und Magdalene verließ das Haus, um welches zu schöpfen. »Ich weiß ja, dass du keine Brunnen magst, Amsel!«, rief sie und zog mit einem Ledereimer los.
    Als ginge es mit dem Teufel zu, tauchte ausgerechnet an diesem Abend Matthew auf. Von einem Herzschlag zum anderen packte ihn ein Zorn, wie Amicia ihn zuvor nicht erlebt hatte. Er schrie sie alle in Grund und Boden, sie hätten das Mädchen auf dem Gewissen und keiner von ihnen besitze auch nur einen Funken Verstand. Kaum verriet ein Knarren der alten Scharniere, dass Magdalene mit ihrem Eimer ins Haus getreten war, sprang er ihr in den Weg und hob die Hand, um sie zu ohrfeigen. Magdalene duckte sich nicht einmal und hob auch keine Hand, um ihr Gesicht zu schützen, sondern blieb demütig stehen, um sich schlagen zu lassen.
    Das war zu viel für Amicia. Sie warf sich dazwischen, stieß dabei den Eimer von Magdalenes Arm und spürte, wie das eisige Wasser an ihr hochspritzte. Gleich darauf traf Matthews flache Hand sie am Hinterkopf. Der Schlag war spürbar abgebremst und tat nicht weh. Sie fuhr herum und bestrafte ihn mit einem Blick, der weit heftiger zuschlug. In seinem Gesicht zuckte ein Muskel, dann senkte er vor Scham den Kopf.
    »Sei Herrn Matthew nicht böse!«, rief Magdalene, die auf Knien versuchte, das verschüttete Wasser zurück in den Eimer zu schöpfen. »Er hat ja nicht dich schlagen wollen, sondern mich, weil ich ungehorsam war.«
    Matthew stöhnte, drehte sich um und ging hinaus in die Schneenacht. Gleich darauf kam er noch einmal wieder, das Haar voll schmelzender Flocken und die Wangen glühend, und warf den Packen ab, den er auf dem Rücken trug. »Käse und Schinken und ein Schlauch Wein«, murmelte er und ging wieder hinaus.
    Amicia musste lachen, so irrwitzig erschien es ihr. Das hastige, kaum hörbare Gemurmel war Matthews Art, um Verzeihung zu bitten. Zu anderem war er nicht fähig. Wie sich ein Mensch unter Menschen betrug, hatte niemand ihn gelehrt.
    »Ach, der arme Herr Matthew«, weinte Magdalene auf. Timothy untersuchte den Inhalt des Packens, und Hugh saß dabei und sah reglos zu.
    Amicia hatte das Gefühl, ihr Kragen schnüre ihr die Luft ab, obgleich der Stoff ihr in losen Falten um den Hals hing. Ohne länger nachzudenken, riss sie die Tür auf und rannte hinaus in die Nacht. Sie sah ihn eine unbefestigte Gasse zum Fluss hinuntergehen. Durch das Gewirbel der Schneeflocken lief sie ihm nach, und einen Schritt vor der Ufermauer bekam sie ihn an seinem Tabard zu fassen. »Dreh dich um!«, rief sie atemlos vor Zorn. »Du Feigling hast längst gehört, dass ich dir folge.«
    Er drehte sich um. »Schlag zurück, Amicia«, bat er sie flüsternd. Seine Augen flackerten vor Qual. »Schlag zurück.« Dann senkte er den Kopf.
    Sie packte sein Haar und riss ihm den Kopf wieder in die Höhe. »Du bist ein Dummkopf, Matthew, und du beträgst dich wie ein ungeratener Bengel, der nach Strich und Faden versohlt gehört! Statt dich so aufzuführen, könntest du um Verzeihung bitten wie ein erwachsener Mann, der einen Fehler gemacht hat. Ehe du vor Furcht um uns den Verstand verlierst, könntest du uns erklären, wovor wir uns eigentlich zu fürchten haben. Wenn wir um keinen beschworenen Dämon, sondern um eine echte Gefahr wüssten – glaubst du nicht, es fiele uns leichter, unsere Gefangenschaft zu ertragen und uns an deine Regeln zu halten?«
    »Ich wollte das nicht.« Sobald sie ihn losließ, senkte er den Kopf von Neuem.
    »Was wolltest du nicht?«
    »Dass ihr euch wie Gefangene fühlt. Ich hätte einen schöneren Ort für euch suchen wollen, aber nirgendwo ist es sicher genug, und das verdammte Geld ist so knapp.«
    Sie schlug ihm über die Wange, dass es schallte. »Da hast du. Bist du jetzt zufrieden? Dann sei so gut und erspar uns beiden das alberne Gefluche.«
    Er blickte auf, die Wange merklich gerötet, und sie hatte ihn wieder. Den Mann, den sie so sehr gewollt hatte, dass sie Vergangenheit und Zukunft darüber vergaß, den sie so sehr geliebt hatte, dass Himmel und Erde nie wieder leer sein würden. Zerknirscht duckte dieser lange, breit gebaute Kerl die Schultern, sodass es aussah, als wäre er gern ein Stück geschrumpft.
    Amicia

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